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: Die Verdienste des Dicken

Reiner Calmund pflegte Probleme mit dem Scheckbuch zu lösen – das wird er sich nun vorm Staatsanwalt verkneifen müssen

Es gehört zu den notorischen Ritualen des Fußballs, einen verdienten Mitarbeiter in leitender Position im Falle von Differenzen mit salbungsvollen Worten zu verabschieden. Waren die Zerwürfnisse auch offenkundig, so ist die Trennung dennoch „einvernehmlich“ und eine stattliche Abfindung unausweichlich. Damals, vor nicht einmal zwei Jahren, drängte sich dieser Eindruck ein wenig auf, als Reiner Calmund den Bundesligisten Bayer Leverkusen in der Funktion des Managers Hals über Kopf und angeblich auf eigenen Wunsch verließ – jener Mann, der zum Inventar der Fußball-Bundesliga gehörte. Manche verwiesen darauf, dass Calmund dieses Leverkusen erst richtig groß gemacht habe, doch so gut wie keiner verwies auf den Preis für den temporären Aufschwung.

Heute, nicht einmal zwei komplette Spielzeiten nach der Demission des Dicken, steht der gewichtige Mann im Zwielicht da. Man fragt sich, welche Verdienste es denn nun gewesen sind, die Bayer 04 Leverkusen ihm zu danken hat. Es geht, wie immer, nicht um die Ehre, sondern ums Geld. Gegen Ende der Woche wird die Kölner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Calmund aufnehmen, wie die Bielefelder Polizei bekannt gab. Im Laufe der Woche werden nun einige Zeugen vernommen.

Calmund soll von einem Klub-Konto 580.000 Euro entnommen haben, der Spielervermittler Volker Graul steht im Verdacht, Beihilfe zur Veruntreuung geleistet zu haben. Graul habe das Geld als Gegenleistung für zwei Transfers erhalten, die niemals getätigt wurden, wie ein Polizeisprecher sagte. Calmund erklärte inzwischen, dass es sich um zwei Optionsgeschäfte gehandelt habe: Da der Verteidiger Lucio nicht für die angepeilte Ablösesumme von zwanzig Millionen Euro zu AS Roma gewechselt war, habe man keinen der beiden Transfers realisiert. Es ging hierbei um Andrija Delebasic von Partizan Belgrad und Darijo Srna von Hajduk Split. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf den Verbleib der Summe. Graul wähnt sich auf der sicheren Seite, gibt an, das Geld erhalten und versteuert zu haben. Doch nun ist der Verdacht aufgekommen, dass die 580.000 Euro möglicherweise nicht nur an Graul geflossen seien, sondern dieser als Mittelsmann fungiert habe. Drei Wochen nach der Barabhebung hatten die Leverkusener durch Bundesliga-Siege gegen 1860 München (3:0) und den 1. FC Nürnberg (1:0) in der Saison 2002/03 einen möglichen Abstieg abgewendet. Der Bielefelder Chefermittler Karl-Heinz Wallmeier nannte der Zeitung Welt als Grund für die Ermittlungen „die zweckwidrige Verwendung von Geldern“. Den Verdacht der angeblichen Manipulation wollte Wallmeier der Zeitung weder bestätigen, noch wollte er ihn dementieren.

In Calmunds ehemaligem Klub gestand man jetzt ein, dass dieser Vorfall der Grund für die damals sehr rührende Trennungszeremonie gewesen war, und inzwischen haben sich Calmund und sein Nachfolger Wolfgang Holzhäuser in einen Stellungskrieg begeben. Der ehemalige Manager, der seinen USA-Urlaub abbrach, will am Donnerstag in einer Pressekonferenz Stellung beziehen. „Eines weiß ich ganz sicher, ich habe mich nicht persönlich bereichert“, ließ er mitteilen. Doch die Summe, die gegenwärtig verhandelt wird, ist wohl nicht einmal der eigentliche Skandal.

In der Ära Calmund hat sich in Leverkusen ein Subventions-Netzwerk etablieren können, mit dessen Auswüchsen der Nachfolger Holzhäuser kämpft. Indizien verweisen auf 100 Millionen Euro, die die Bayer-AG innerhalb von nur vier Jahren in die Fußballabteilung gepumpt hat – zuzüglich der 25 Millionen Euro jährlich, die an Werbegeld fällig geworden sind. Dies alles geschah auf legalem Wege. So überließ der Bayer-Konzern der Fußball-Abteilung die Namensrechte für die BayArena kostenlos, um sie später für dreißig Millionen zurückzukaufen. Und in jener Zeit etablierte sich auch der Gemeinplatz, dass Reiner Calmund Probleme am liebsten mit dem Scheckbuch löse.

Angesichts der neuerlichen Episode dürfte nun niemand mehr die Frage aufwerfen, worin die Verdienste Reiner Calmunds tatsächlich bestanden. Sie lagen vor allem in seinem lautlosen Rückzug. STEFAN OSTERHAUS