Die kleine Wortkunde

Eine ungeschriebene journalistische Regel lautet, dass man von einem „Unfall“ spricht, wenn bei einem zufälligen Ereignis ein bis zwei Menschen zu Tode kommen („Tragödien“ und „Massaker“ sind willentlichen Verursachern vorbehalten). Sterben hingegen sehr viele Menschen, liegt eine „Katastrophe“ vor. Genau dazwischen liegt das „UNGLÜCK, ein singuläres Ereignis, bei dem drei bis 200 Menschen zu Tode kommen, und für das das Wort „Unfall“ zu unspektakulär wäre. Obwohl es fast nie im Plural auftaucht, kommt ein Unglück – besonders im Sommer – selten allein und wird dann meist von Superlativen flankiert („eines der schwersten seit …“). Auch aktuell häufen sich die Unglücke: Am Mittwoch das Zugunglück in Spanien, am Samstag das Busunglück in Indianapolis und am Sonntag das Busunglück in Süditalien.

Unglück (verhängnisvolles Ereignis, Pech, Gram) ist die Negation von Glück (zufälliges Zusammentreffen günstiger Umstände, Gemütszustand innerer Befriedigung), das auf das mittelhochdeutsche „gelücke“ zurückgeht, welches erstmals in der höfischen Dichtung des 12. Jahrhunderts auftaucht. Anfangs bedeutete es noch „Schicksal“ oder „Ausgang eines Geschehens sowohl zum Guten als auch zum Schlechten“ und entwickelte erst später die heutige positive Bedeutung.

Im vormedialen Zeitalter bezeichnete der Begriff Unglück vor allem den persönlichen Schicksalsschlag in Verbindung mit der Trauer darüber, erst mit Aufkommen der Massenmedien gerieten Unglücke zu kollektiven Schocks. Im Prinzip bestehen die meisten Zeitungen aus nichts anderem – weshalb einiges dafür spricht, Nachrichten selbst als „Unglück“ zu bezeichnen: „Ein Zusammentreffen ungünstiger Ereignisse.“

ERIK WENK