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Die Kunst-Hauptstadt

Hannover ist Regierungssitz und Messestadt, es gibt den Fußballverein Hannover 96 und die Welfenprinzen. Doch die Stadt ist mit drei bedeutenden Museen auch ein Hort der schönen Künste

von Jens Fischer

Regierungs- und Verwaltungssitz, Messestadt, Industriestandort: Trotz der welfischen Vergangenheit war Hannover immer eine sehr bürgerlich geprägte Stadt. Also ein Ort mit hoher Affinität zu den bildenden Künsten. An guten Tagen können es die drei führenden Ausstellungshäuser mit denen aller norddeutschen Städte aufnehmen. Wie jetzt, als das Sprengel Museum, der Kunstverein und die Kestnergesellschaft innerhalb einer Woche zur Vernissage ihrer aktuellen Großausstellungen geladen hatten.

Der 70er-Jahre-Charme der betonhöhlenartig verwinkelten Museumsarchitektur hat sich inzwischen zwar etwas abgenutzt, aber die Nummer eins in Hannover ist und bleibt das 1979 am Maschteich eröffnete Museum für die Sammlung Bernhard Sprengels. Der Schwerpunkt liegt auf deutschem Expressionismus, mit Unterstützung von Sponsoren kamen die Klassische Moderne des letzten Jahrhunderts sowie die Bereiche Fotografie und Medien hinzu. Der Fokus der Sonderausstellungen liegt auf kunsthistorisch relevanten und populären Retrospektiven, die gern aus dem eigenen Bestand ergänzt werden. Oder – wie zuletzt bei Picasso, Chagall und ab 18. Juni auch bei Max Ernst – fast vollständig aus dem eigenen Depot bestückt werden können. Museumsleiter ist Ulrich Krempel. Mit mehr als 100 fest Angestellten ermöglicht er das umfangreichste museumspädagogische Programm in Hannover und die größte Anzahl Einzelausstellungen: drei große und 16 kleine sind es 2006. Im vergangenen Jahr zählte man 167.000 Besucher.

Der Kunstverein Hannover im historisch charmanten Künstlerhaus an der Sophienstraße wurde 1832 als einer der ersten seiner Art in Deutschland gegründet und hat heute 1.200 Mitglieder. Fünf fest Angestellte um Leiter Stephan Berg ermöglichen in diesem Jahr sechs Großausstellungen, die originelle Newcomer der internationalen Kunstszene präsentieren. Aus regionaler Verpflichtung ist der Verein zentraler Ort zur Förderung der besten niedersächsischen Künstler. 25.000 Besucher verzeichnete man 2005.

Die Affinität Hannovers zu den Bildenden Künsten zeigt sich auch im Stadtbild. In allen Andenkenläden, auf öffentlichen Plätzen, in den Barockgärten, an Ausfallstraßen, überall stehen die dicken Frauen von Niki de Saint Phalle. „I have very special feelings for Hannover“, sagte die Künstlerin am 19.11.2000, als sie der Stadt mehr als 400 ihrer Werke übereignete. Damit schloss sich ein Kreis: 1969 hatte Niki de Saint Phalle eine ihrer ersten großen Ausstellungen im Kunstverein gehabt. Vier Jahre später stellte sie drei monumentale Nanas an das Hohe Ufer und löste eine öffentliche Debatte aus, die der Künstlerin nicht nur als „the battle“ in Erinnerung geblieben ist, sondern ihre Arbeiten auf breiter Basis durchsetzen sollte. 1981 folgte eine große Retrospektive im Sprengel Museum. Als die Stadt 1999 beschloss, drei Grotten in den frisch renovierten Herrenhäuser Barockgärten von Künstlerhand gestalten zu lassen, kam nur Niki de Saint Phalle in Frage.

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