Langer Umweg zur Zapfsäule

VERKEHR Flüssiggas gilt als Schiffstreibstoff der Zukunft. Uneinheitliche Regeln führen aber zu absurden Wendungen – wie aktuell in Norwegen

Das Gas für die 340 Kilometer lange Passage wird 1.600 Kilometer per Lkw transportiert

STOCKHOLM taz | Das Zeug ist minus 162 Grad Celsius kalt, wird aber absolut heiß gehandelt: Flüssiges Erdgas, kurz LNG, gilt als einer der vielversprechendsten Treibstoffe für die Schifffahrt. Der CO2-Ausstoß ist um etwa 25 bis 30 Prozent niedriger als bei dem Schweröl, das derzeit in Nord- und Ostsee zugelassen ist. Der Ausstoß von Schwefel liegt bei fast null, die Emission von Stickoxiden und Feinstäuben wird um 90 beziehungsweise 98 Prozent reduziert.

Die „Stavangerfjord“ ist eine der ersten Kreuzfahrtfähren, deren Maschinen ausschließlich mit LNG betrieben werden. Seit Mitte Juli verkehrt sie täglich auf einer 340 Kilometer langen Route über die Nordsee, zwischen dem norwegischen Stavanger und der dänischen Hafenstadt Hirtshals.

Doch Pionier zu sein ist nicht unproblematisch. So war der Reederei Fjordline zwar sehr klar, dass LNG ein etwas anderer Treibstoff als Schiffsdiesel ist – schließlich warb sie mit dem grünen Image. Sie hatte aber nicht einkalkuliert, dass Norwegen das Betanken von Schiffen mit dem Flüssiggas in Häfen verbietet, wenn auch nur ein Passagier an Bord ist.

„Wenn es ein Leck gibt, verdampft das Flüssiggas, steigt in die Luft und wird vom Wind verweht. Das ist normalerweise unproblematisch“, meint Schiffsingenieur Trond Carlsen von der norwegischen Sicherheitsbehörde DSB. Doch je nach Mischung kann sich das Gas aber auch an einem Funken entzünden. Eine Explosion sei zwar unwahrscheinlich, sagt Carlsen, aber auch ein Brand könne schwerwiegende Folgen haben. Deshalb wolle man beim LNG-Betanken keine Passagiere an Bord haben.

In Dänemark gibt es solche Sicherheitsbestimmungen nicht. Deshalb lässt die Reederei die „Stavangerfjord“ nun dort auftanken. Nur: Das LNG für den Fährbetrieb wird in Stavanger produziert. Es muss erst mit Tanklastern nach Dänemark transportiert werden. Und weil diese aus Sicherheitsgründen nicht an Bord von Passagierfähren befördert werden dürfen, müssen wöchentlich nun mehr als ein Dutzend LNG-Transporter den 1.606 Kilometer langen Landweg über Schweden und quer durch Dänemark ins nordjütländische Hirtshals nehmen.

Für die Klimabilanz sei das keine gute Lösung, sagt Reederei-Direktor Ingvald Fardal. Schließlich solle der Betrieb der Fähre mit LNG ja genau dafür sorgen, dass weniger CO2 produziert wird, und nun entsteht das Klimagas während der Lkw-Fahrt.

Bei der Reederei hofft man nun, dass die Politik in Oslo die Bestimmungen ändert – oder dass sich zumindest eine Lösung ergibt wie in Schweden. Denn auch dort darf die im Finnlandverkehr eingesetzte LNG-Fähre „Viking Grace“ während des Kaiaufenthalts nicht von Land aus betankt werden. Die Einschränkung gilt aber nicht für das Befüllen der Tanks vom Wasser her. Hier kommt ein spezielles LNG-Tankboot zum Einsatz.

Norwegen ist Vorreiter bei Schiffen mit LNG-Antrieb. Mehr als zwei Dutzend sind hier mittlerweile in Betrieb, darunter mehrere Binnenfähren über Fjorde und im Verkehr zu den Lofoten. Dass diese Schiffe nur mit Flüssiggas versorgt werden dürfen, wenn der letzte Passagiere von Bord ist, ist wegen der längeren Liegezeiten an Land unproblematisch – anders als bei Kreuzfahrtfähren, bei denen eigentlich immer Passagiere an Bord bleiben. Die Reedereien drängten darauf, die Vorschriften zu lockern, erklärt Trond Carlsen, und natürlich sei LNG ein umweltfreundlicher Treibstoff – doch die Sicherheit gehe nun mal vor.

REINHARD WOLFF