Beschwerden bitte handschriftlich

BETRIEBSRAT Der Schlecker-Betriebsrat für den Raum Kiel und Rendsburg musste sich einen PC vor Gericht erstreiten. Die Drogeriekette zwingt immer wieder Angestellte für Büromittel zum Rechtsanwalt

„Schlecker legt Betriebsräten systematisch Steine in den Weg“

Frank Schischefsky, Ver.di Nord

von KRISTIANA LUDWIG

Gabriele hakt. Die elektrische Schreibmaschine funktioniere nur dann etwas reibungsloser, wenn sie die Texte in Großbuchstaben schreibe, erklärte die Betriebsratvorsitzende Monika Queck der Richterin. Die 58-Jährige ging Ende Januar vor das Landesarbeitsgericht in Kiel, um einen PC für die Arbeit ihres neunköpfigen Betriebsrates zu bekommen.

Mit einer rund 22 Jahre alten, defekten Schreibmaschine hatte sie vorher Briefe und Einladungen aufgesetzt, vieles schrieb sie mit der Hand. So etwas gehöre „in die Steinzeit der Bürokommunikation“ urteilte das Gericht. Die Entscheidung fiel in zweiter Instanz. Nachdem sich schon die erste Instanz für den Computer ausgesprochen hatte, hatte Schlecker das Urteil angefochten.

Rund 100 dieser Verfahren seien bundesweit ständig zwischen Schlecker und seinen Betriebsräten anhängig, sagt Verdi-Sprecherin Cornelia Haß: „Ein Schlecker-Betriebsrat kriegt nichts, ohne vorher geklagt zu haben.“ Eine Strategie, vermutet Haß. So sollten etwa Teilzeitbeschäftigte mit Familie mürbe gemacht werden. Dem gegenüber stünden allerdings „sehr hartnäckige Betriebsrätinnen“ und die Rechtslage sei eindeutig, ein PC selbstverständlich.

Wenn Monika Queck die Arbeitszeitkonten von den 319 Schlecker-Angestellten ihres Bezirkes überprüfte, schob sie die zwei Tische in ihrem 15m[2]-Büro zusammen, breitete dort die Formulare aus und nahm einen Taschenrechner. „Papiermassen“ nannte sie das vor Gericht. Sie brauche „dringend Programme wie Excel“, argumentierte ihr Anwalt Christian-Ulrich Freiherr von Ketelhodt. Er vertritt den Betriebsrat seit zwei Jahren und möchte dennoch betonen, dass Schlecker „nicht unbedingt der miserable Arbeitgeber“ sei. Angestellte aus anderen Bezirken hatten laut Ver.di, weit mehr Auseinandersetzungen. In Kiel und Rendsburg habe es wegen Stiften und Radiergummis nie Probleme gegeben.

Dass seine Mandantin den Prozess gewinnen würde, war für Ketelhodt allerdings nicht absehbar. Ob einem Betriebsrat ein PC oder andere Kommunikationsmittel zustehen, sei rechtlich eine Frage der Erforderlichkeit. Aber er glaubt an eine „Signalwirkung“ seines Falles. Denn eine Revision hat das Arbeitsgericht nicht zugelassen, auch wenn im Urteil die „Einzelfallentscheidung“ vermerkt ist. Hier steht auch, dass ein Betriebsrat seinen Vorgesetzten technisch gleichgestellt sein sollte.

Queck will mit ihrem Betriebsrat „höchstwahrscheinlich“ wieder klagen. Der neue Computer soll den Internetanschluss bekommen, den ihr der Richter in erster Instanz verweigert hatte. Bisher könnten die Betriebsrätinnen nur ein Telefon im Büro der Filialen nutzen, dessen Klingeln vorne, an der Kasse, nicht zu hören sei.

Ver.di Nord-Sprecher Frank Schischefsky, der den Schlecker-Betriebsrat Kiel und Rendsburg betreut hat, spricht von einer Unkultur des Unternehmens: „Schlecker legt Betriebsräten systematisch Steine in den Weg.“ Auch die Richter machen in ihrer Begründung auf die hohe Fehlerquote aufmerksam, die durch handschriftlich verfasste Dokumente entsteht: „Es ist gerichtsbekannt, dass der Arbeitgeber das ordnungsgemäße Zustandekommen von Betriebsratsbeschlüssen zu bestreiten pflegt.“

Ob sich die Vielzahl von Verfahren wegen relativ kleiner Sachwerte wirtschaftlich für Schlecker lohnt, ist fraglich. Eventuell liegen die Gründe für die Rechtsmittelaffinität der Kette in ihren eigenen Unternehmensgrundsätzen. Dort steht: „Führung und Organisation sind bei Schlecker darauf ausgerichtet, Eigeninitiative und selbständiges Mitdenken der Mitarbeiter zu aktivieren.“ Der Leiter der Unternehmenskommunikation, Florian Baum, möchte dazu keine Stellung nehmen. Er sehe in diesen „Fragestellungen ein Maß an Voreingenommenheit, das deren eingehende Beantwortung sinnlos erscheinen lässt.“