Zwei Welten

INTEGRATION Schüler drehen mit dem Regisseur Torsten Löhn den Dokumentarfilm „Gleimtunnel“

Man kennt es aus den Alpen. Wenn man mit dem Auto durch einen Tunnel fährt, 5, 10 Minuten lang, und dann auf der anderen Seite wieder herauskommt, dann kommt es vor, dass es plötzlich Bindfäden regnet, manchmal sogar schneit und stürmt, obwohl doch vorher die Sonne schien.

Der Gleimtunnel liegt im Osten Berlins. Bis 1989 war er ein Teil der Berliner Mauer und trennte über 20 Jahre lang die Bevölkerung. Heute verbindet er die Berliner Ortsteile Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen. Die meteorologische Situation mag die gleiche sein, gesellschaftlich sind es zwei Welten.

Während in Prenzlauer Berg größtenteils junge deutsche Familien ökologisch korrekt im Biosupermarkt einkaufen, tun es ihre Nachbarn jenseits des Gleimtunnels korrekt und günstig am Eckstand oder im Netto. Während in Gesundbrunnen 650 Schüler auf die staatliche Heinrich-Seidel-Schule gehen, von denen etwa 95 Prozent Migrationshintergrund haben, besuchen in Prenzlauer Berg 60 Kinder eine freie Montessori-Schule, pro Lerngruppe 16 Kinder und zwei Lehrer – kein einziges Kind mit Migrationshintergrund. Der Gleimtunnel ist auch heute noch eine Art Grenze.

Dieser Kontrast animierte den Filmemacher Torsten Löhn mit einer Gruppe von Grundschülern der Montessori-Schule und der Staatsschule, den Dokumentarfilm „Am Gleimtunnel – hier und drüben“ zu drehen. Gemeinsam filmten die Kinder acht Porträts von Bewohnern der Ortsteile und versuchen im gemeinsamen Arbeiten das jeweilige „Drüben“ zu erkunden.

Ein deutscher Schlagzeuger aus Prenzlauer Berg wird zu einem Konzert im Knaack-Club begleitet, eine türkische Polizistin erzählt über ihre Polizeiausbildung. Auch der Produzent der Animationsserie „Sandmännchen“ wird besucht oder ein millionenschwerer Dönerspießfabrikant, der ganz Europa beliefert.

In kurzen Passagen kommen auch die Kinder zu Wort. Sie reden über ihre Erlebnisse mit den Kindern von der anderen Seite des Gleimtunnels: „Ich bin da schon mal durchgegangen … da waren auf jeden Fall etwas mehr Ausländer“, „Ich weiß nicht, wie das werden wird, wenn auch deutsche Kinder kommen“, „Ich weiß nicht, wie die alle heißen, der einzige Name, den ich mir merken kann, ist Mohammed, aber so, glaube ich, heißen die meisten.“ Das Zitieren aus PR-Material ist nicht unproblematisch, aber in diesem Fall trifft es den Punkt: „In Interviews sprechen sie freimütig über ihre Vorurteile, Einschätzungen und Utopien, in der Beobachtung des Miteinanders macht der Film deutlich […], wo Integration in Deutschland steht: an ihrem Beginn.“ PHILIPP GOLL

■ Torsten Löhn ist am 20. 3. und am Sonntag, 21. 3. jeweils um 18.45 Uhr persönlich im Lichtblick Kino (Kastanienallee)