Kontrollen mit Hand und Fuß

Neun U-Bahn-Kontrolleure müssen sich vor Gericht wegen Misshandlung verantworten. Sie sollen Fahrgäste geschlagen und verletzt haben. Zu Prozessbeginn haben die Angeklagten die Vorwürfe komplett zurückgewiesen

Neun U-Bahn-Kontrolleure müssen sich seit gestern wegen Misshandlungen von Fahrgästen vor dem Amtsgericht verantworten. Die beim privaten Wachschutzunternehmen GSE beschäftigten Kontrolleure sollen bei Fahrscheinüberprüfungen meist zu zweit Fahrgäste beleidigt, geschlagen und verletzt haben. Die Kontrolleure waren im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) unterwegs. Insgesamt zehn Fälle in den Jahren 2002 und 2003 hat die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Angeklagten im Alter von 25 bis 29 Jahren haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

Zum Auftakt des bisher größten Prozesses gegen Fahrscheinkontrolleure schilderte einer der Nebenkläger, wie er bei einer Kontrolle im März 2003 von zwei Kontrolleuren angegriffen und verletzt worden sei. Am Kottbusser Tor habe sich ihm einer der beiden in den Weg gestellt und „ziemlich aggressiv meinen Fahrschein gefordert“. Daraufhin habe er ihm mitgeteilt, er solle sich ordentlich ausweisen. Danach habe er ihn nicht weiter beachtet. Am Moritzplatz hätten ihn beim Aussteigen zwei Männer „angesprungen“ und mit verdrehten Armen in das Dienstzimmer auf dem Bahnsteig geführt. „Der Kontrolleur, der mich anfangs in der Bahn angesprochen hat, hat mir von hinten in die Haare gegriffen und mich mit dem Kopf gegen den Türrahmen geschlagen.“

Der Beschuldigte Ch. kann sich daran indes nicht erinnern. Dem Richter sagt er, dass er nur die Tür aufgeschlossen habe und dann vom Dienstzimmer aus die Polizei gerufen habe. Auch Gewalt von seinem Kollegen B. will er nicht gesehen haben.

Alle Angeklagten, die an diesem Tag aussagen, geben erhebliche Gedächtnislücken zu Protokoll. Es ist jedoch nicht so, dass sie einander decken: Der 27-jährige Angeklagte K. widerspricht den Aussagen eines ehemaligen Kollegen zu einem anderen Fall. Der hatte angegeben, dass ein Fahrgast ihn gegen einen anfahrenden Zug geschubst habe. Davon will K. jedoch nichts gesehen haben.

Inzwischen arbeitet lediglich noch einer der neun als Fahrscheinkontrolleur. Die anderen sind arbeitslos, Lagerarbeiter oder stecken in so genannten 1-Euro-Jobs. Ch. erzählt dem Richter dass er wegen der Arbeitsbedingungen bei der Wachschutzfirma gekündigt habe. „Die Firma war sehr hartnäckig. Wir mussten ständig arbeiten und Schlafzeiten wurden oft nicht eingehalten. Das war mir irgendwann zu viel.“ Auf die Frage vom Anwalt der Nebenklage, wie er für die Aufgabe geschult worden sei, sagt er: „Wer wollte, konnte einen Selbsthilfekurs machen. Außerdem wurde uns erklärt, wie wir vorzugehen haben, wenn wir einen Schwarzfahrer erwischen.“ Die Schulung habe zwei bis drei Tage gedauert.

Der Prozess ist auf sechs Verhandlungstage angesetzt. Am Donnerstag wird er fortgesetzt.

Jörg Meyer