piwik no script img

„Eine Diktatur der Liebe“

SPIELER Er rechnet nicht damit, dass ihm ein anderer Sender einen Job gibt. Ist ihm auch egal. Denn als Chef darf Kai Blasberg beim kleinen Tele 5 alles. Auch sich selbst als Puppe sprechen in der neuen Show „Eye TV“ (20 Uhr)

Kai Blasberg

■ 48, Verlagskaufmann. Ausgebildet bei der Kölnischen Rundschau, war er Marketingleiter bei den TV-Sendern Kabel 1 und ProSieben. Seit 2005 arbeitet er bei Tele 5, seit 2008 als Geschäftsführer.

INTERVIEW DAVID DENK

taz: Herr Blasberg, da ich Sie am Telefon nicht sehen kann: Welche Farbe hat Ihre Hose heute?

Kai Blasberg: Sandfarben. Ich weiß gar nicht, wie so was in meinen Schrank kommt. Muss meine Frau da eingeschleust haben.

Sonst tragen Sie gern Quietschbunt, etwa Schweinchenrosa.

Eigentlich nur. In jeder Firma gibt es ja einen Hofnarren, die Rolle habe ich gleich an mich gerissen. Aber auch der Hofnarr darf ab und zu mal ernst sein. Dann trage ich Dunkelblau oder eben Sandfarben.

Sie fallen überdies durch Meinungsfreude auf.

Als Tele-5-Chef bin ich geradezu verpflichtet, Dinge anders zu machen als andere, größere Sender. Dazu gehört auch eine Verneinung des Mainstreams. Wir sind die Underdogs, eine Art SC Freiburg des Privatfernsehens, haben keinen großen Konzern im Rücken. In unseren finanziellen Möglichkeiten mögen wir eingeschränkt sein, haben sonst aber alle Freiheiten. Und eine gute Idee ist ja oft mehr wert als eine üppige Produktionsausstattung.

Für Christian Ulmen, der bei Tele 5 zuletzt mit der Realityspielshow „Who wants to fuck my girlfriend?“ zu sehen war, sind Sie der „Radikalinski unter den deutschen Fernsehmachern“.

Und „segensreich“!

Ist Ihnen das wichtiger?

Als radikal gilt man in Deutschland ja schnell. Wer nur einen Zentimeter neben der Spur läuft, fällt schon auf. Dafür kaufen kann ich mir aber nichts. Denn meine Präsenz macht mich sicherlich auch schwer vermittelbar in der Branche.

Für neue Jobs?

Ja, ich glaube nicht, dass für mich noch viele andere Sender kommen. Macht aber nichts. Ich bin jetzt seit acht Jahren bei Tele 5, und zwar sehr, sehr gern. Hier kann ich machen, was ich will.

Zum Beispiel den Senderboss in der Puppencomedy „Eye TV“ sprechen. Wollten Sie endlich mal ins Fernsehen?

Ach Gott, ich war schon so oft im Fernsehen, habe in meiner Zeit als Kabel-1-Marketingchef etwa die Trailer gesprochen. Angebote, auch vor der Kamera aufzutreten, habe ich aber immer abgelehnt, weil ich von Menschen wie mir nicht abhängig sein möchte. Ich halte Moderator für einen höchst zweifelhaften Beruf. Ich bin von ganzem Herzen Zirkusdirektor. Leider werden zu viele Sender von introvertierten Kontrollertypen geführt, die für diesen Zirkus nicht gemacht sind, geschweige denn ihn genießen. Das ist in etwa so, als wäre Angela Merkel Bundeskanzlerin.

Warum wollten Sie den Senderboss sprechen?

Weil es mich gereizt hat, quasi mich selbst zu spielen, einen geldgierigen Egomanen, der seine Sekretärin herumkommandiert. Dass alle anderen nach meiner Pfeife tanzen mussten, hat mir auch gefallen. Ich durfte nämlich zuerst meine Texte einsprechen, und die Puppe wurde danach gespielt. Die anderen Puppen wurden nachträglich synchronisiert – allerdings auch von Profis.

Wie ist „Eye TV“ entstanden?

Wie immer bei Tele 5. Die Produktionsfirma, in diesem Fall GoodMood, wollte ein Format rund um die aus der RTL-Comedyshow „Freitag Nacht News“ bekannten Puppen Bernie und Ert entwickeln, und ich habe gesagt: Macht mal! Wir greifen redaktionell kaum ein, weil wir der Kreativität der ach so laut jammernden Produktionsbranche eine Chance geben wollen. Das hat auch den Vorteil, dass ich, wenn es schiefgeht, sagen kann: Sorry, aber das war deine Idee, nicht meine. Früher bei den großen Sendern wollte es hinterher ja immer keiner gewesen sein. Das hat mir gestunken. Deswegen und um Feedback auf unsere Arbeit zu bekommen, habe ich bei Tele 5 den Senderrat gegründet, als wir vor knapp einem Jahr die Eigenproduktionen gestartet haben. Neben branchenfremden erfolgreichen Geschäftsleuten aus meinem Bekanntenkreis sitzt darin etwa auch Oliver Kalkofe, der ja in seiner Zeit bei ProSieben immer rumgemault hat, alles besser wusste. Jetzt darf er mitbestimmen über den Kurs von Tele 5. Das nimmt ihm ein bisschen den Wind aus den Segeln.

Was macht der Rat genau?

Die Arbeitsgruppe soll bei ihren zwei bis drei Treffen im Jahr das Programm weiterentwickeln. Dabei sind etwa die „Nichtgedanken“ entstanden, eine süße, kleine Sendung, in der Kalkofe aus schwachsinnigen Promibüchern vorliest. Von der Entwicklung bis zum Tun dauert es bei Tele 5 manchmal nur drei Wochen – und so sieht es dann auch aus. Tele 5 ist manchmal dilettantisch, aber immer süß.

Tele 5

■ Brot: Der Privatsender der Tele München Gruppe des österreichischen Filmrechtehändlers Herbert G. Kloiber, ursprünglich 1988 gegründet und mehrfach umgebaut, schöpft aus einer der größten Filmbibliotheken Europas, zeigt vor allem internationale Spielfilme und Serien.

■ Butter: Um seinen Marktanteil zu erhöhen, setzt Tele 5 seit 2012 verstärkt auf nonfiktionale Eigenproduktionen: „Kalkofes Mattscheibe“, „Rüttens Bullshit Universum, „Stuckrad-Barre“. Die TV-Satire „Walulis sieht fern“ gewann 2012 den Grimme-Preis.

Warum setzen Sie verstärkt auf Eigenproduktionen?

Wir brauchen die Aufmerksamkeit. Die ist neben den Währungen Euro und Werbeinselreichweite für Tele 5 sehr wichtig. Wenn „Eye TV“ ein paar Wochen läuft und auch übers Internet verbreitet wird, werden wir der Sender mit den irren Puppen sein. Die geben Tele 5 ein Gesicht. Das Presseecho zu unserer „Intelligenzoffensive“ mit Stuckrad-Barre, Kalkofe, Ulmen und Rütten voriges Jahr war gewaltig. Zu Horror-B-Movies oder „Raumschiff Enterprise“-Wiederholungen würden auch Sie mich wohl kaum interviewen.

Am 22. August geht der 2012 von ZDFneo übernommene Polittalk „Stuckrad-Barre“ in eine neue Staffel. Gibt es Besonderheiten im Wahljahr?

In der Woche vor der Bundestagswahl läuft die Sendung täglich. Wir hoffen natürlich sehr stark, dass die Mediengeilheit der Politiker auch manchen Spitzenkandidaten in die Sendung treibt. Außerdem fände ich es super, wenn in der Sendung diese beschissenen Werbeplakate mal analysiert würden. Von diesem unterirdischen Christian-Ude-Plakat hier in München …

auf dem der bayerische SPD-Spitzenkandidat das Wort „Wort“ in den Händen hält …

… fühle ich mich als Genosse dermaßen verarscht, dass ich ihn unmöglich wählen kann. Das mit den Plakaten habe ich heute noch als Idee reingegeben, die (hebt die Stimme) sie bitte machen möchten.

Sind Sie ein autoritärer Chef?

Wie kommen Sie denn darauf?! Ich führe eine Diktatur der Liebe. Fragen Sie meine Mitarbeiter – wenn Sie jemanden finden, der mit Ihnen redet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen