HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI: Keinen Bock auf die Provinz
Ob in der Auslage des Buchhandels oder auf den Sendeplätzen des Fernsehens – die Regionalkrimis stapeln und häufen sich. Überflüssig ist das Genre dort, wo ausgiebige Ortsbeschreibungen über dünne Handlungen hinwegtäuschen sollen. Unterhaltsamer fällt der Ansatz des Kabarettisten Jörg Maurer aus, der seinen Hauptkommissar nach einem legendären Wilderer auf den Namen Jennerwein getauft hat.
„Föhnlage“, der erste von Maurers „Alpenkrimis“, wurde 2011 von Rainer Kaufmann verfilmt. Am Anfang weckt ein Bergpanorama Befürchtungen. Bis Jennerwein anhebt: „Sind Sie gereizt? Verspüren Sie ein allgemeines vages Unlustgefühl? Haben Sie unbestimmte Mordgedanken? Dann befinden Sie sich möglicherweise in einem Kurort des bayerischen Voralpenlandes.“
Nur widerwillig übernimmt Jennerwein (Martin Feifel) die Dienststelle in Garmisch-Partenkirchen. Er wählt die Abstellkammer anstelle des Chefbüros, legt den Hörer neben das Telefon und eine Entspannungs-CD ein. Blöd halt, dass im Konzerthaus ein Mitarbeiter durch die Decke kracht und einen jungen Musikfreund unter sich begräbt. Der Fall ist so verzwickt, dass man die übereifrige und zudem ortsfremde Kollegin nicht damit allein lassen kann. Da muss Jennerwein nun durch, der nicht nur an einer tiefen Abneigung gegen die lokalen Honoratioren krankt, sondern auch an Akinetopsie – wir lernen: Es handelt sich um Bewegungsblindheit.
Jennerweins getrübte Wahrnehmung beschert dem Film ungewöhnliche visuelle Momente, die ebenso wie etliche Sticheleien das folkloristische Idyll unterlaufen. „Sterben, wo andere Urlaub machen. Das ist doch was“, ätzt Jennerwein. Im Wortwitz liegen die Stärken dieses Films, inszenatorisch kommt es manchmal dicke, so wenn sich – wir begrüßen die Freunde der Hochkultur – eine Gruppe von Arbeitern bei der Brotzeit zu da Vincis letztem Abendmahl gruppiert.
■ „Föhnlage. Ein Alpenkrimi“; Samstag, 20.15 Uhr, BR
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