Ver.di-Streik spaltet die Arbeitgeber

Nach den Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst beginnen nun die Schuldzuweisungen. Die SPD kritisiert den Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Möllring. Er hätte kompromissbereiter sein müssen. Ver.di will die Warnstreiks ausweiten

BERLIN rtr ■ Nach dem Abbruch der Tarifgespräche im öffentlichen Dienst am Wochenende ist im Arbeitgeberlager ein Streit über Verhandlungsführer Hartmut Möllring entbrannt. Während Vertreter der Union dem niedersächsischen Finanzminister den Rücken stärkten, machten ihn SPD-Vertreter im Arbeitgeberlager für den Abbruch der Gespräche verantwortlich und stellten seine Rolle als Verhandlungsführer infrage. Die SPD-geführten Bundesländer würden heute über die Situation beraten, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) der Bild am Sonntag. „Dabei geht es auch um die Frage, ob Möllring noch der richtige Verhandlungsführer ist“, erklärte Beck drohend.

Der CDU-Politiker Möllring wies die Kritik zurück und schloss seinen Rücktritt als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) aus. Er warf seinem Stellvertreter in der TdL, Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD), Unaufrichtigkeit vor und forderte ihn zum Rückzug aus der TdL auf.

Die Gespräche zwischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft Ver.di waren am Samstag in Berlin nach zwei Tagen abgebrochen worden. Ver.di will nun die Streiks fortsetzen und möglicherweise ausweiten. Als Erster rief der Beamtenbund (dbb) bei ihm organisierte Techniker gestern zum Streik im Hamburger Elbtunnel auf. Durch den Ausstand der Spezialisten, die den Verkehr in den Röhren überwachen, sollte sich die Zahl der Fahrspuren pro Richtung von vier auf eine reduzieren. Es wurde mit erheblichen Behinderungen vor allem bei der Anreise zum Bundesligaspiel des Hamburger SV gegen Kaiserslautern gerechnet. Er habe bereits Morddrohungen von Fußballfans erhalten, sagte der Hamburger dbb-Chef Rudolf Klüver.

Die Länder fordern die Verlängerung der Wochenarbeitszeit für die Arbeiter und Angestellten von 38,5 auf 40 Stunden. Ver.di lehnt das mit der Begründung ab, längere Arbeitszeiten würden Arbeitsplätze vernichten. Zur Abwehr der Arbeitgeberforderung hatte die Gewerkschaft vor fünf Wochen in Baden-Württemberg zu streiken begonnen.

Ver.di-Chef Frank Bsirske warf Möllring vor, nicht an einem Kompromiss interessiert zu sein. Auch der stellvertretende TdL-Vorsitzende Stegner hatte nach dem Ende der Gespräche dem Verhandlungsführer den Einigungswillen abgesprochen. Zudem hatte er die Tarifgemeinschaft der Länder insgesamt infrage gestellt. Möllring sagte der Tageszeitung Die Welt, Stegner könne durchaus eine andere Position als er einnehmen, „aber dann kann er nicht die TdL vertreten“. Beck sei weder an den Verhandlungen beteiligt gewesen noch habe er sich bei ihm nach dem Stand der Gespräche erkundigt. „Herr Beck redet ins Blaue hinein.“ Becks Kritik an ihm sei eine Unverschämtheit, weil er, Möllring, nur die Beschlüsse der großen Mehrheit der Länder vertrete. Sein Amt als TdL-Vorsitzender stelle er nicht zur Verfügung. „Das ist aber witzig“, so Möllring. Die SPD habe nicht über ihn zu befinden.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) attackierte die SPD: „Ihre Kritik an Verhandlungsführer Möllring ist mir unverständlich und stärkt nicht die Tarifgemeinschaft der Länder“, betonte Stoiber. „Möllring hat mein vollstes Vertrauen“, sagte er der Berliner Tageszeitung B.Z. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach nannte es einen bemerkenswerten Vorgang, dass Möllring von Länderkollegen öffentlich angegriffen werde. Damit schwäche Beck die Position der Arbeitgeber. „Und er betreibt das Geschäft der Gewerkschaften“, sagte Bosbach dem Sender n-tv. Die öffentliche Auseinandersetzung werde einen Beitrag dazu leisten, dass die Tarifgemeinschaft auseinander brösele.

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