portrait
: Die rote Witwe von Belgrad

Als Gymnasiasten im serbischen Marktflecken Požarevac galten sie als „Romeo und Julia“. Der schüchterne Junge, Slobodan Milošević, verfiel der energischen, ein knappes Jahr jüngeren Mira Marković.

Mira, 1942 geboren, litt unter ihrer Familiengeschichte. Ihre Mutter, Vera Miletić, wurde als Kommunistin von der Gestapo hingerichtet, als sie acht Monate alt war. Der Vater, Moma Marković, Partisanenkommandeur im Krieg, wurde hoher Funktionär in Titos Jugoslawien. Mira verzieh ihm jedoch nie, dass er wieder heiratete. Ihre Tante mütterlicherseits, Davorijanka Paunović, war im Laufe des Zweiten Weltkriegs Titos Sekretärin und Geliebte.

Als Slobodan Milošević in der dalmatinischen Hafenstadt Zadar seinen Militärdienst absolvierte, schlenderte Mira durch die engen Gassen und blieb vor einem Schaufenster stehen, in dem ein Porträt Titos zu sehen war: „Eines Tages wird Slobos Bild genauso in allen Auslagen stehen!“, sagte sie zu einer Freundin. Mira mobilisierte ihre einflussreiche Familie für die Förderung der Karriere ihres Mannes. Sie gründete eine eigene Partei, die „Jugoslawische Linke“ (JUL), um mit der SPS ihres Mannes eine Koalition einzugehen. Obwohl JUL kaum Wähler hatte, war sie gleichberechtigt in allen Regierungen Milošević’ vertreten.

Artikel, die sie in einer Illustrierten und bald darauf als „Gesammelte Werke“ in einem Staatsverlag veröffentlichte, sind naive Geschichten über Blumen, Vogelgezwitscher, Kommunismus, den Kampf gegen den Imperialismus und die Liebe zu ihren Kindern.

Sohn Marko verdiente während der Balkankriege an Erdöl- und Zigarettenschmuggel Millionen. Die Mama pries ihn damals der „vom Westen irregeführten“ serbischen Jugend als Beispiel dafür, wie man es durch Fleiß zu etwas bringen kann. Tochter Marija besaß einen eigenen Fernsehsender. Gegen beide Milošvić-Sprösslinge wurde nach der Wende Anklage erhoben, die dann jedoch aus unbekannten Gründen zurückgezogen wurde.

Für die Gegner Milošević’ im Lande war sie „die rote Hexe“, Mitglieder und Funktionäre seiner Partei fürchteten sie. Es heißt, sie habe Todesurteile gegen Menschen gefällt, die sie für Feinde hielt, und die dann von den Todesschwadronen ihres Mannes vollzogen wurden.

Mira Marković muss nun entscheiden, wo ihr Mann begraben wird. Vorerst zieht sie Moskau, wo sie derzeit lebt, als letzte Ruhestätte vor, weil sie mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Milošević’ politische Erben pochen jedoch auf einem Staatsbegräbnis in Belgrad. Falls sie sich für diese Provokation entscheiden sollte, würde es der Regierung schwer fallen, ihr kein freies Geleit zuzusichern. ANDREJ IVANJI