Den Drohnenangriffen zum Trotz

JEMEN Die Kampfkraft von al-Qaida in dem arabischen Land ist ungebrochen. Daran dürfte sich so bald nichts ändern

ISTANBUL taz | Ein Großaufgebot an Spezialeinheiten, Soldaten und Polizisten hat das Leben in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa am Dienstag zeitweise zum Erliegen gebracht. Nach Erkenntnissen des jemenitischen Geheimdienstes plant al-Qaida Anschläge nicht nur auf ausländische Botschaften, sondern auch auf staatliche Einrichtungen. Und zwar im ganzen Land, erklärte das Innenministerium am Montag.

Erstmals setzten die Amerikaner auch in Sanaa Drohnen ein, wie die Yemen Post in ihrer Onlineausgabe am Dienstag berichtete. Zudem hätten die Amerikaner in der Provinz Maarib am frühen Dienstagmorgen zwei Fahrzeuge „gefährlicher Terroristen“ mit mehreren Raketen beschossen.

Die Provinz in Zentraljemen gilt als Hochburg von al-Qaida. Ein Lokalpolitiker sagte Mitte Juni, in der Region hielten sich mehrere Führungsfiguren der Gruppe versteckt, unter ihnen Nasser al-Wuhaischi alias Abu Basir. Dieser ist einer der führenden Afghanistan-Veteranen: Bis zu den Terroranschlägen am 11. September 2001 diente er Osama bin Laden dort als „Privatsekretär“. Nach seiner Rückkehr in sein Geburtsland Jemen und der Flucht aus einem Gefängnis organisierte Wuhaischi 2009 den Zusammenschluss der jemenitischen al-Qaida, die bis dahin eher ein Schattendasein führte, mit der Al-Qaida-Zentrale.

Dabei wurde Wuhaischi zum Emir der „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ oder Aqap, wie sie nach ihrem englischen Kürzel genannt wird.

Bis 2009 galt die Aqap vor allem als regionale Gefahr. Nach dem Sturz des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh 2011 gelang es ihr jedoch, große Gebiete im Süden unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie vermeidet es, die dortigen Stämme gegen sich aufzubringen – ohnehin sind die nicht gut auf die Zentralregierung zu sprechen.

Durch Heirat und großzügige Zuwendungen sorgt sie laut Experten zudem dafür, dass ihnen die Stämme wohlgesinnt bleiben. Machtkämpfe zwischen verschiedenen jemenitischen Fraktionen, die sich auch auf die Sicherheitskräfte auswirken, schwächen derweil die Zentralregierung und geben der Aqap zusätzlichen Spielraum. Washington versucht mithilfe von Drohnen gegen mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer das Sicherheitsvakuum auszugleichen. Freilich bringt Amerika damit auch die lokale Bevölkerung gegen sich auf, ohne deren Unterstützung al-Qaida nicht besiegt werden kann.

Laut der US-Webseite The Long War Journal gab es in diesem Jahr bereits 16 Angriffe mit 69 Toten, unter ihnen im Juli die damalige Nr. 2 der al-Qaida. Mehr als zwei Jahre nach der Tötung von bin Laden scheint die Aqap jedoch gefährlicher denn je. Daran haben auch die Drohnenangriffe offenbar nichts geändert. INGA ROGG