Teurer wohnen mit Hartz IV

Der Haushalt ist um eine Lücke reicher: 60 Millionen Euro fehlen, weil Hartz IV mehr Bedarfsgemein–schaften mit sich bringt als vom Bund prognostiziert. Experte: „Bewusst nicht realistisch kalkuliert“

Bremen taz ■ 60 Millionen Euro fehlen den Haushalten in Bremen und Bremerhaven – weil die Arbeitsmarktreformen den beiden Kommunen sehr viel weniger Einsparungen bringen als ursprünglich errechnet. Das geht aus einer Vorlage von Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) hervor, die heute im Senat diskutiert wird. Doch woher das fehlende Geld kommt, sagt die Vorlage nicht.

Grund für die Mehrausgaben ist der nach Ansicht der Behörde „explosionsartige“ Anstieg der so genannten Bedarfsgemeinschaften von ALG II-EmpfängerInnen. Gab es im Januar 2005 bremenweit noch 47.579 solcher Haushalte, so stieg deren Zahl bis Jahresende auf 53.500 an. Das entspricht einer Steigerung von 12,5 Prozent – in Bremen etwas weniger, in Bremerhaven etwas mehr. Doch damit nicht genug: Prognostiziert waren nur rund 36.000 Bedarfsgemeinschaften für Bremen, 10.000 für Bremerhaven.

Mit seinem Mehrbedarf steht Bremen nicht allein da. Bundesweit stieg die Zahl von 3,3 Millionen im Januar 2005 binnen zwölf Monaten um 11,3 Prozent auf 3,8 Millionen. „Hier wurde bewusst nicht realistisch kalkuliert“, bemerkte dazu gestern Paul Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe. Schließlich sei auch die Höhe der von Bund gezahlten Fördermittel an diese Schätzung geknüpft – und die habe man „bewusst“ zu niedrig angesetzt, sagt Schröder.

Die Zahlen aus dem Sozialressort scheinen diese These zu stützen. Den während der Bund Bremen eine Entlastung von 120 Millionen Euro vorgerechnet hat, kam der Stadtstadt in seinen eigenen Berechnungen nicht einmal auf 50 Millionen Euro. Am Ende waren es 62 Millionen Euro. „Damit wird ein besseres Ergebnis erzielt, als es aufgrund der Unwägbarkeiten zu prognostizieren war“, verkündet die Behörde in ihrem Bericht stolz. Mehr Geld als geplant mussten die Kommunen vor allem für Unterkunft und Wohngeld ausgeben, sowohl die Fallzahlen als auch die Durchschnittskosten liegen deutlich über der Prognose.

Dennoch, sagt Schröder, sei ein Teil der bremischen Probleme durchaus „hausgemacht“. Denn wer die Förderung von ALG II-EmpfängerInnen auf Ein-Euro-Jobs beschränke, sagt Schröder, „zementiere“ damit auch die Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Schröders Argument: Wer nur einen Euro in der Stunde verdient, kann davon nie und nimmer seine Miete selbst bezahlen. Wer in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) steckt, hingegen schon. Dennoch wolle Bremen für die ALG II- EmpfängerInnen im laufenden Jahr zwar rund 5.000 Ein-Euro-Jobs etablieren – aber nur ganz wenige „Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt“, wie es im Amtsdeutsch heißt.

Bremen hofft nun, gemeinsam mit anderen Kommunen dem Bund eine höher Zuzahlung für die Unterkunftskosten abringen zu können. „Allein hat die Kommune keine Chance“ in Berlin“, da ist sich Arbeitsmarktexperte Schröder sicher. Bremen muss also darauf setzen, dass es anderen Städten genauso schlecht ergeht wie ihr selbst.

Allerdings sind entsprechende Verhandlungen mit dem Bund erst für das kommende Jahr vorgesehen. Bis dahin muss Bremen die fehlenden Gelder selbst aufbringen. Betroffen ist dabei nicht das Ressort von Sozialsenatorin Röpke – sondern der Gesamthaushalt, über den gerade noch verhandelt wird. mnz