ZWISCHEN DEN RILLEN
: Die Entstehung des Songs aus dem Rauschen

About Group: „Between the walls“ (Domino/GoodToGo)

„Alexis Taylor swaps Hot Chip for jazz improv.“ Das schrieb der Guardian im Jahr 2011 in die Titelzeile, als „Start and Complete“, das zweite Album der About Group, erschien. Sänger tauscht Popstardasein gegen Jazzimprovisation. Das Album machte die Band einer größeren Öffentlichkeit bekannt. „Start and Complete“ enthielt an vielen Stellen gute Ansätze, hatte aber ein altbekanntes Problem: Wie macht man aus der gemeinsamen Improvisation vierer keinesfalls unbegabter und durchaus meritengeschmückter Musiker ein gutes Album von fünfzig Minuten?

Seinerzeit scheiterte die About Group an dieser Aufgabenstellung. Das Zusammenspiel von Hot-Chip-Frontmann Alexis Taylor, Charles Hayward, Drummer der legendären Postpunk-Band This Heat, Ex-Spiritualized-Gitarrist John Coxon und dem Jazzer Pat Thomas hörte sich an vielen Stellen vielversprechend an, mehr aber auch nicht. Grundsätzlich steht man als Band erst einmal vor der Entscheidung, wie man mit der freien Form der Improvisation umgeht: Macht man daraus vier Songs in den zur Verfügung stehenden 60 Minuten? Oder elf? Oder gar 20 radikale Skizzen?

Auf dem nun erschienenen dritten Album, „Between the Walls“, dauern die Songs zwischen zwei und sechs Minuten. Diese Ausgeglichenheit ist Zeichen dafür, dass die About Group über die Improvisation – zumindest für dieses Album – zu ihrer Form gefunden hat. So erscheinen die kürzeren Stücke als Ausdruck einer Suche, deren Resultat die fertigeren, geformten Songs sind.

Das erste Stück des Albums, „After Video“, funktioniert als Intro: Die Gitarre knarzt, die Trommeln scheppern, metallisches Klopfen und Schlagen aus dem musikalischen Jenseits oder, prosaischer, aus dem Probenraum. Darauf folgt „Walk On By“, in dem die Jam-Elemente der Gitarre Coxons und vor allem der Orgel Thomas’ den emotionalen Ausnahmezustand schlüssig mit formaler Auflösung begleiten. „Each time I see you I break down and cry“ singt dazu Alexis Taylor und seine Stimme ist hervorragend geeignet für das zum Zusammenbrechen und Heulen.

Eine Ahnung von Blues

Mit diesen Stilmitteln arbeitet sich die About Group auf „Between the Walls“ weiter: Scheppern, Rauschen und eine Ahnung vom Blues. Auch auf textlicher Ebene wird das Verhältnis von Form und Wahrnehmung diskutiert. In „Words“ singt Taylor von ihrer Nutzlosigkeit, in „All is not lost“ heißt es: „When I look in the mirror I see: reality / When I look in my mind I find: a fantasy.“

Diesen Songs stehen Skizzen gegenüber, die schon im Titel auf ihren Status verweisen: „Graph Paper“, Millimeterpapier, etwa oder dem von sägenden Gitarrensounds dominierten „Untitled“, dessen Namen auf die Tradition der improvisierten Musik verweist. Das enthält das Versprechen, ohne Formvorgabe mit musikalischen Mitteln zu einem unmittelbaren Ausdruck zu gelangen. Songs ergeben sich hier nicht von selbst – etwa aus dem Schema eines klassischen Popsongs, sondern gehen organisch aus dem Zusammenspiel mehrerer Menschen hervor.

Die Widersprüche, die sich aus dieser Vorgehensweise ergeben, führt die About Group vor. „Between the Walls“ ist ein interessantes Album, weil im steten Wechsel von Skizze und Song gerade Letzterer an Statur gewinnt. Man wohnt der Entstehung der Songs aus dem Rauschen, dem Klopfen bei, aus den losen Enden des Versuchs, begrenzt erst durch die 60 Minuten, die auf eine CD passen.

Natürlich – muss man das noch eigens betonen? – ist all das nicht neu, nicht innovativ. Wenn jemand an diesen Kategorien gelegen ist, findet er an diesem Album womöglich keinen Gefallen. Als Ganzes ist „Between the Walls“ aber ein gelungenes Stück Musik. Außerdem scheint man mit der Verbindung von Pop und Improvisation durchaus noch anecken zu können. Siehe die Schlagzeile von Spin.com zur Single „Words“: „About Group Plead for Understanding on Discordant ‚Words‘“. Bitte, versteht diese Misstöne! ELIAS KREUZMAIR