Schlicht geht‘s nicht

Hier eine Einigung, dort ein selbst ernannter Schlichter: Der Tarifstreit im öffentlichen Dienst wird verworrener

Heute um 12 Uhr mittags wird es so weit sein: Der Präsident des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen, Henning Schultz, und der niedersächsische Gewerkschaftschef Wolfgang Denia treten an‘s Mikrofon. High Noon im Blitzlichtgewitter. Angekündigt ist ein Ergebnis im Bereich zwischen 38,5 und 40,0. Zum Beispiel die 39,2. Das wird dann die wöchentliche Arbeitszeit für 120.000 kommunale Beschäftigte in Niedersachsen.

So weit wie Niedersachsens Kommunen aber sind die Länder noch lange nicht. Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, überall streiken die Landesbediensteten, und überall heißt es: Ein Ende des Streiks ist nicht in Sicht. Und mittlerweile treibt der Streik skurrile Blüten: Da ist zum einen die Frage, ob bei den Verhandlungen zwischen den Ländern und Ver.di noch Land in Sicht ist – oder ob es einen Schlichter braucht. Die unionsgeführten Bundesländer inklusive Kanzlerin Angela Merkel lehnten den Einsatz eines Schlichters gestern ab. Die SPD-Spitze aber hatte sich bereits am Montag für eine Schlichtung ausgesprochen. Und bekam prompt von Bremens Ex- und Altbürgermeister Henning Scherf im Hamburger Abendblatt gesagt, wer die Rolle des Schlichters übernehmen könnte: „Wenn ich von beiden Seiten gefragt werde, würde ich nicht Nein sagen“, so Scherf. „Unüblich“ nannte die Länderseite Scherfs Offerte in eigener Sache; dass es nicht an der Zeit sei, über Personen zu spekulieren, sagte Ver.di.

Ebenso unüblich dürfte der Gegenwind sein, den der Verhandlungsführer der Länder, der niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), beständig aus den eigenen Reihen bekommt: Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD), ausgerechnet Möllrings Stellvertreter im Tarif-Poker, legte gestern in der Abendzeitung nochmal nach mit seiner Kritik an Möllring: „Mangelnde Professionalität“ habe der Niedersachse in der Verhandlungsführung gezeigt, und: Möllring zettele einen „tarifpolitischen Häuserkampf“ an. Der bundeswehr-erfahrene Verhandlungsführer darauf beleidigt: „Wer als Soldat Häuserkampf geübt hat, weiß, wie schlimm das ist und benutzt den Begriff nicht leichtfertig.“

Der Streik wird also zunehmend auch für unbeteiligte Politiker zum Thema: Stegners Kritik hat daheim in Schleswig-Holstein zu einem Koalitionskrach geführt. Damit auch alle vom Tarifstreit etwas haben. kli

siehe auch Inland SEITE 7