Wenn das Leben nach Musik verlangt

Zwei Lieben in der Welt, Paris und Afrika: Fania Niang hat viele Wege ausprobiert, afrikanische und europäische Kultur zusammenzubringen – in der Mode und der Musik. Ihren Highlife-Afro-Pop unterlegt sie mit nachdenklichen Texten

Verfilmt könnte eine solche Vita Kinokassen zum Klingeln bringen: Als Prinzessin zwischen wilden Tieren aufgewachsen, mit 17 von Zuhause ausgebüxt, Mannequin in Paris, Lambada beim Fall der Mauer in Berlin, und schließlich eine späte Solokarriere zwischen Gesang und Mode. „Ich bin wirklich inmitten der Natur groß geworden“, erinnert sich Fania Niang, Tochter eines adeligen Senegalesen und einer Malierin. „Überall waren Löwen, Schlangen und Skorpione, direkt neben dem Naturpark von Niokolo-Koba. Animistische Riten waren ein wesentlicher Teil des Tagesablaufs, um den Regen herbeizurufen und um sich bei den Tiergöttern zu entschuldigen. Mit meinem Album ‚Naturel‘ möchte ich den Esprit meiner Kindheit auffangen.“

So viel Natur in der Kultur – dafür hat Fania lange Wege durch den Großstadtdschungel gebraucht. Und das war erstaunlich genug: Denn eine senegalesische Prinzessin, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Sängerin zu werden, hat es nicht leicht – der Adel kümmert sich in Westafrika um die Bearbeitung der Erde und frönt nicht dem Singen.

Der Ausweg hieß Paris: An der Seine wurde die hochgewachsene Teenagerin erst mal Model für Jean-Paul Gaultier, ihre Familie stieß sie damit natürlich erst recht vor den Kopf. „Mein Vater hat sehr darunter gelitten – und erst als ich an sein Sterbebett trat, habe ich ihm erzählt, dass ich auch Sängerin bei der Lambada-Gruppe Kaoma bin. Da huschte ein breites Lächeln über sein Gesicht.“ Die Zeit mit der gecasteten Erfolgstruppe Kaoma Ende der 80er sei super gewesen, lacht Fania: Sie begleitete den Berliner Mauerfall tanzend, reiste zur Befreiung von Mandela und erlebte im Gorki-Park das Ende des Kommunismus mit. Die Erfolgskurve von Kaoma verlief steil – allerdings in beide Richtungen. Denn schnell wurde es auch wieder still um die Frau, die als Afrikanerin unbekümmertes Karibik-Kolorit auf die Bühnen der Welt gebracht hatte.

Fania nutzte die Zeit, um sich in der Welt umzuschauen und an einer Solokarriere zu basteln: In L.A. verfeinerte sie ihre Gesangstechnik, lernte Texte zu schreiben. Und verleiht heute ihrem Bedürfnis nach Métissage, nach der Vermischung von afrikanischen und europäischen Elementen, sowohl als Modeschöpferin wie auch auf ihren bislang zwei Alben Ausdruck: Perkussionsinstrumente wie Sabar und Djembe treffen auf das Geräusch-Klingklang von Kinderspielzeug, afrikanischer Highlife-Pop mischt sich unter Akustikloops.

Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie sich mit Josephine Bakers Erfolgsnummer „J’ai Deux Amours“ zum Senegal und zu Paris bekennt, unterlegt sie ihren Afropop mit nachdenklichen Texten in Wolof und Mandinke. Denn bei aller Liebe zur neuen Heimat ist der schwarze Kontinent ihr größtes Anliegen geblieben. „Bezeichnend, dass bei Live8 fast nur die Leute über Afrika gesprochen haben, deren Vorfahren es zuvor zerstört haben“, wettert sie. „Benefiz-Konzerte und die Diskussion um den Schuldenerlass, der nur ein Palaver zwischen unseren korrupten Regimes und den weißen Regierungen ist, werden weder die Ausbreitung der Sahara verhindern noch Aids eindämmen.“

Das Miteinander von Spiritualität und Wissenschaft, die Balance zwischen Natur und Technologie sei der Schlüssel zur Rettung des Kontinents. Die junge afrikanische Literatur gibt ihr Hoffnung. „Es wird Zeit, dass man die Stimmen derjenigen hört, die man immer beiseite geschoben hat – unsere Stimmen.“

Das kann man jetzt tun – beim senegalesischen Abend im Kesselhaus. Der steht im Zeichen des Dialogs Afrikas mit dem Frankophonen: Neben Fanias altem Kollegen Ousmane Touré aus Paris wird Meïssa auf der Bühne stehen. Seine Musik ist geprägt von den Gedichten Léopold Senghors, der als Vertreter der Négritude schreibend an der Überwindung des Kolonialismus werkelte – und gleichzeitig 20 Jahre lang Präsident des Senegal war.

STEFAN FRANZEN

Senegal Sound am Donnerstag, 16. 3., 20 Uhr, Kesselhaus der Kulturbrauerei