: Bremen ohne New York-Fernsehen
Weil er sich zensiert fühlt, gibt Gerd Augustin seine Sendung im Offenen Kanal auf. Alles Unsinn, sagt der OK
Bremen taz ■ Gerd Augustin tritt von der Fernsehbühne ab. Gerd Augustin, der „Godfather des Krautrock“. Der Manager von Ike und Tina Turner. Der Erfinder des „Beatclub“. Der erste DJ der Republik. Zehn Jahre lang präsentierte er, Woche für Woche, im Offenen Kanal eine Mischung aus Speaker’s Corner, Improtheater und Harald-Schmidt-Show. Dazu ein schier unerschöpfliches Privatarchiv mit Musikfilmen. Doch damit ist jetzt Schluss. Er fühlt sich zensiert – weil er seine Beiträge 48 Stunden vor Sendebeginn vorlegen soll. Also hört er lieber ganz auf.
„Das ist eine Unverschämtheit“, poltert Augustin, „ein Skandal“. Uwe Parpart, in der Landesmedienanstalt der Beauftragte für die Offenen Kanäle, sieht das ganz anders. „Eine Zensur findet bei uns nicht statt“. Und überhaupt: „Gerd Augustin spielt gern den Märtyrer. Doch das läuft bei uns nicht.“
„In der Regel“ müssten alle Beiträge 48 Stunden vor Sendebeginn eingereicht werden, sagt Parpart zur Begründung. Das habe schlicht „technische Gründe“. Doch Gerd Augustin kann man damit nicht überzeugen: „Das ist gelogen“.
Nur in einem Punkt stimmen die beiden überein: „Gerd Augustin meint, dass ihm eine Extrawurst gebraten werden muss.“ Ja, antwortet der, gewohnt unbescheiden – „denn ich bin ungewöhnlich“. Er mache schließlich „experimentelles New York-Fernsehen“. Parpart selbst hält er für „einen unqualifizierten SPD-Mitläufer.“
Hinter der Auseinandersetzung mit dem Offenen Kanal vermutet der 65-Jährige ohnehin ein „politisches Spiel“, der Name des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (CDU) fällt. Schließlich gab es schon einmal Streit – wegen despektierlicher Äußerungen über Bremer CDU-Politiker. Die Folge: ein temporäres Sendeverbot, auch durften Augustins Beiträge fortan nicht mehr live gesendet werden.
„Es macht mich krank, dass man nicht mehr die Wahrheit sagen kann“, schimpft Augustin – und klagt über „den Filz“ und „die Angst, die in dieser Stadt umgeht.“
Alles Unsinn, entgegnet Parpart, und wenn Augustin wolle, könne die Sendung ja in der kommenden Woche ausgestrahlt werden. Doch er will nicht. Lieber setzt er sich noch ein letztes Mal in Szene. Polarisiert. Provoziert. „Und bereitet sich schon jetzt auf das Amt des Kultursenators vor.“ Jan Zier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen