Ein Grab in Milošević’ Heimatstadt

Slobodan Milošević wird in Serbien bestattet, aber nicht in Belgrad. Ob seine Witwe zur Beerdigung kommen darf, ist noch unklar. In den Ländern des ehemaligen Jugoslawien werden Milošević’ Tod und die Folgen unterschiedlich bewertet

AUS SARAJEVO ERICH RATHFELDER

Jetzt soll Slobodan Milošević doch nach Serbien überführt und dort bestattet werden. Aber nicht in Belgrad, wie seine Anhänger es wünschten, sondern 50 Kilometer südöstlich, in seiner Heimatstadt Pozarevac, wie seine Familie vorgeschlagen hatte. In Belgrad werde der Leichnam des Expräsidenten lediglich aufgebahrt, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Zoran Andjelković.

Käme es wirklich so, könnte die Regierung unter Vojislav Koštunica aufatmen. Denn die Beerdigung Milošević’ in Belgrad hätte das Ansehen Serbiens im Ausland weiter sinken lassen. Vor allem wenn es seinen Anhängern gelungen wäre, ihn in die Reihe der großen Serben neben dem vor drei Jahren ermordeten demokratischen Reformer Zoran Djindjić zu bestatten.

Noch ist unklar, ob die Witwe Mira Marković von Moskau aus nach Serbien reisen kann. Gestern Nachmittag wurde darüber in der Regierungskoalition gestritten, in der ja auch die Sozialistische Partei des Expräsidenten eingebunden ist. Wahrscheinlich jedoch wird sie nicht an der Beerdigung teilnehmen. Ein serbisches Gericht hatte am Dienstag einen Haftbefehl gegen Marković ausgesetzt, jedoch erklärt, bei der Einreise werde ihr Pass eingezogen. Nationalistische Politiker sehen einen Skandal darin, dass der Witwe die Einreise unmöglich gemacht wird.

In den Nachbarländern Serbiens halten sich sowohl Politiker wie Medien mit Kommentaren zurück. In Bosnien wird bedauert, dass der Prozess gegen Milošević nicht zu Ende geführt werden konnte. Die Presse in Sarajevo begrüßte den Vorschlag des ehemaligen Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, das Gericht solle trotz des Tods von Milošević ein Urteil fällen, und bedauerte die Entscheidung des Tribunals, den Prozess abzuschließen. In Kroatien erregte die Unterschrift des ebenfalls in Den Haag inhaftierten kroatischen Exgenerals Ante Gotovina unter einer Todesanzeige für Milošević die Gemüter. Daran könne man erkennen, welchen gemeinsamen Geistes die Nationalisten seien, erklärte die Wochenzeitschrift Feral Tribune.

Dreißig Angeklagte in Den Haag hatten die Anzeige unterschrieben. Im Kosovo sieht man dem Treiben in Belgrad mit Gelassenheit zu, wenngleich in der Presse in Priština die Einstellung des Verfahrens gegen Milošević bedauert wird.

Die meisten Medien in der Hauptstadt Montenegros sind sich nun sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung bei dem am 21. Mai angesetzten Referendum für die Unabhängigkeit des Landes vom Staatenbund Serbien-Montenegro stimmen wird. Die montenegrinische Führung ist seit Jahren bestrebt, sich vom Erbe Milošević’ zu befreien. Die Regierung will sich unabhängig von Serbien der EU annähern.

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