Klinikärzte streiken unbefristet

Der Ärzteverband Marburger Bund will 30 Prozent mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen für Mediziner in Unikliniken. Der heute beginnende Streik soll die Tarifgemeinschaft der Länder zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren

AUS BERLIN KERSTIN SPECKNER

Ab heute hat der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder, Hartmut Möllring (CDU), mit zwei deutschlandweiten Streiks zu kämpfen. Der Marburger Bund, der Verband der Klinikärzte, hat mit über 98-prozentiger Mehrheit Streiks in Unikliniken beschlossen.

Wie viele ÄrztInnen abstimmten, wollte der Marburger Bund nicht angeben. Nach einer Auftaktdemonstration, heute in Mainz, wird zunächst in Freiburg, Heidelberg, Würzburg, Bonn, Essen, Mainz, Halle und München gestreikt. Die Klinikärzte fordern 30 Prozent mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen für junge Klinikärzte. Der Marburger Bund kritisiert, diese müssten oft 70 bis 80 Wochenstunden leisten. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten junge Klinikärzte im Schnitt 46,3 Stunden pro Woche.

Betroffen sind neben Unikliniken alle Krankenhäuser, die von den Ländern verwaltet werden. Dort arbeiten etwa 22.000 ÄrztInnen. Morgen arbeiten die Streikenden dort voll, um guten Willen zu zeigen. Ab Montag wird der Streik ausgeweitet. In den Kliniken soll es Notdienste geben, Untersuchungen und Operationen, die nicht dringend sind, werden verschoben. Nicht betroffen sind Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin, wo separat verhandelt wird.

Die geforderte Lohnerhöhung würde jeden Versicherten eine Beitragserhöhung von 0,3 Prozentpunkten kosten, erklärte der Marburger Bund. „Eine Gesellschaft muss sich entscheiden, was ihr die Gesundheit wert ist.“

Seit die Klinikärzte im Herbst aus der Tarifgemeinschaft mit Ver.di ausgestiegen sind, verhandeln sie einzeln mit der Tarifgemeinschaft der Länder. Verhandlungsziel der Mediziner ist ein ärztespezifischer Tarifvertrag mit höherem Einkommen und flexiblerer Zeiteinteilung. Außerdem will der Verband bessere Arbeitsbedingungen vor allem für AssistenzärztInnen. Nach der letzten Verhandlungsrunde Anfang März wurden die Gespräche für gescheitert erklärt.

Man habe sogar eine Arbeitszeitverlängerung von 38,5 auf 42 Wochenstunden erwogen. Die müsse aber voll bezahlt werden, fordern die Klinikärzte. Möllring habe jedoch ein „unzumutbares Angebot“ gemacht, in dem die Arbeitszeiterhöhung nur teilweise entschädigt werde.

Länder-Verhandlungsführer Möllring hingegen kritisierte die Forderungen der Ärzte als unrealisierbar. Die Tarifgemeinschaft der Länder habe „sehr weitreichende Vorschläge“ unterbreitet, die „wesentliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen“ mit sich brächten. Der Streik werde auf dem Rücken der Patienten ausgetragen. Er sei generell verhandlungsbereit. Auf Verhandlungen hofft auch sein potenzieller Verhandlungspartner Lutz Hammerschlag vom Marburger Bund: „Ein Anruf von Herrn Möllring genügt.“ Auf einen langen Streik ist man trotzdem eingestellt. Die ÄrztInnen stehen zudem auf dem Standpunkt, dass sie für den Streik nicht mal die Streikkasse plündern müssen. Sie hätten genug Überstunden.

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