„Wir führen Interviews“

ZEITZEUGEN Für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wird es immer schwieriger, Gespräche anzubieten

■ 44, hat in Hamburg und Köln Geschichte studiert. Leitet das Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

taz: Herr von Wrochem, welche Rolle spielen die Zeitzeugengespräche in der Vermittlungsarbeit Ihrer Gedenkstätte?

Oliver von Wrochem: Eine große Rolle, wenngleich die Zeitzeugengespräche nicht oft stattfinden. Wir haben im Schnitt alle zwei Monate Zeitzeugengespräche im Haus. Außerdem kommen zu den jährlichen Gedenkfeierlichkeiten Anfang Mai eine größere Anzahl Zeitzeugen nach Neuengamme. Dann gibt es bis zu acht Zeitzeugengespräche an einem Tag.

Wer kommt zu den Zeitzeugengesprächen?

Überwiegend Schulklassen. Die Gespräche werden sehr nachgefragt. Allerdings gibt es nur noch wenige Zeitzeugen, so dass wir der Nachfrage nicht immer gerecht werden können.

Wie erklären Sie sich die große Nachfrage?

Für die Schülerinnen ist ein Zeitzeugengespräch eine sehr besondere Situation: Sie haben sonst nicht mehr die Möglichkeit, mit jemandem zu sprechen, der die Zeit noch miterlebt hat. Die Schüler sind heute so jung, dass ihre Großeltern keine Zeitzeugen mehr sein können.

Wie kommen die Zeitzeugen zu Ihnen?

Unterschiedlich. In der Regel haben wir hier Gespräche mit Überlebenden des KZ Neuengamme. Die werden von uns eingeladen. Es gibt auch Zeitzeugen von nationalen Verbänden, die auf Gedenkfahrt sind und die Gedenkstätte Neuengamme besuchen. Dann fragen wir sie, ob sie bereit sind, einen Tag länger zu bleiben. Es sind Personen, die damals Jugendliche waren. Die anderen sind in der Regel zu alt oder bereits verstorben.

Was werden Sie tun, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, die den Nachgeborenen erzählen können?

Auf diese Frage haben wir noch keine abschließenden Antworten. Es gibt die Tendenz, sich mit den Zeitzeugen zu beschäftigen, die Kinder waren im „Dritten Reich“. Es gibt auch die Tendenz, stärker Kinder und Enkel von Überlebenden in die Gedenkstättenarbeit einzubinden. Die andere Strategie ist, dass in den Ausstellungen und in der Vermittlungsarbeit stärker mit Videointerviews gearbeitet wird.

Machen Sie das auch?

Wir haben einen relativ großen Bestand an Interviews und führen auch weiterhin Interviews mit den Überlebenden, wenn sie zu den Gesprächen zu uns kommen.  INTERVIEW: KLI

Zeitzeugengespräch mit dem dänischen Widerstandskämpfer Mads Madsen: 10 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Anmeldung erforderlich unter ☎ 428 13 15 19