Der schöne Traum vom ersten Arbeitsmarkt

JOBS Programm zur Qualifizierung Erwerbsloser floppt. Arbeitssenatorin sieht Schuld beim Bund

„Kolats Qualifizierungsprogramm ist krachend gescheitert“

SABINE BANGERT (GRÜNE)

In Berlin stockt die Förderung von Langzeiterwerbslosen. Aus der Opposition kommt scharfe Kritik am Programm „Qualifizierung für Beschäftigung“ (QfB) von Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Sabine Bangert bezeichnete QfB als „nicht praxistauglich“. Kolats Programm sei „krachend gescheitert“.

Eigentlich will die Senatorin damit Menschen helfen, für die der erste Arbeitsmarkt fern ist und die einer öffentlich geförderten Beschäftigung nachgehen, etwa als Stadtteilmutter oder Fahrgastbetreuer im Nahverkehr. Daneben können sie über QfB Weiterbildungskurse nutzen, etwa in sozialpädagogischer Familienberatung oder als Touristenführer. Doch das tun sie kaum: Auf rund 2.000 bereitstehende Plätze kamen bisher nur 448 Teilnehmende.

Kolat selbst macht eine Reform der schwarz-gelben Bundesregierung für die geringe Auslastung verantwortlich. Tatsächlich haben Union und FDP dafür gesorgt, dass Qualifizierung für öffentlich Beschäftigte im Gegensatz zu früher nur außerhalb von deren Arbeitszeit stattfinden darf. „Dies hat zum Rückgang der Teilnehmenden geführt“, schreibt die Arbeitssenatorin.

Allerdings hatte der Bund die Änderung schon zum 1. April 2012 verfügt – Berlins QfB-Angebote starteten im Oktober 2012. Die Grüne Bangert kritisiert denn auch andere Punkte: Kolat habe weder die Träger der Kurse bei den Planungen einbezogen noch eine einheitliche Vereinbarung mit den Jobcentern zur Umsetzung getroffen.

Mehrere Berufsbildungsträger, die QfB-Kurse anbieten, sagten der taz übereinstimmend, dass sowohl Bundes- als auch Landesebene Verantwortung dafür tragen, dass die Angebote kaum genutzt werden. „Wir arbeiten mit Menschen, für die es schon ein riesiger Erfolg ist, wieder einen geregelten Tagesablauf zu erlangen und sechs Stunden gemeinnütziger Arbeit zu schaffen“, so der Vertreter eines Trägers. „Dass die sich nach Feierabend freiwillig auf den Weg zu einem Weiterbildungskurs an einem anderen Ort machen, ist illusionär.“ Qualifizierung müsse wie vor der schwarz-gelben Reform in die Beschäftigungsmaßnahme integriert werden. Die Vertreterin eines anderen Trägers sagte, mehrmonatige Qualifizierungsmaßnahmen griffen viel zu kurz: „Bei Jugendlichen müssen wir oft die Sozialisation der vergangenen 16 Jahre nachholen.“ Diese Menschen bräuchten außer einer täglichen Beschäftigung und Qualifizierungen sozialpädagogische Langzeitbetreuung.

Um Letzteres wird es in Kolats neuestem Programm nicht gehen: Es heißt „Qualifizierung vor Beschäftigung“ (QvB), soll QfB ergänzen und richtet sich ebenfalls an Langzeiterwerbslose. Teilnehmen kann auch, wer keiner öffentlichen Beschäftigung nachgeht. Die Kurse sollen Grundbildungsinhalte vermitteln. Langfristziel ist die Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

Zweifelhaft erscheint, ob sich die Senatsverwaltung bei der Konzeption von QvB so intensiv mit der Regionaldirektion der Arbeitsagentur abgestimmt hat, wie es sich beide Seiten mit ihrem bis Ende Juli erarbeiteten gemeinsamen Rahmen-Arbeitsmarktprogramm vorgenommen haben. Sprecher der Institutionen beteuern dies, aber ein der taz vorliegender Briefwechsel vom Juli legt anderes nahe: Aus QvB ergebe sich „eine Abgrenzungsnotwendigkeit zu den bereits vorhandenen Förderinstrumenten“ der Jobcenter, schreibt die Arbeitsagentur. „Der Aufbau von Doppelstrukturen sollte nicht Ziel unserer gemeinsamen Arbeit sein.“ SEBASTIAN PUSCHNER