Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Roman Polanski wird 80, und sein Geburtstag geht auch an den Berliner Programmkinos nicht spurlos vorbei. Das Babylon Mitte eröffnet die traditionelle Werkschau zumindest eher ungewöhnlich: Am Eröffnungsabend werden Polanskis Drei-Personen-auf-einem-Boot-Drama „Das Messer im Wasser“ (1961) und das von Gabór Altorjay Einstellung für Einstellung nachgedrehte Remake „Tørn“ (2008) in einer Doppelprojektion nebeneinander gezeigt, musikalisch begleitet von Altorjays altem Mitstreiter Tom Dokoupil. In den folgenden Tagen gibt es dann Polanskis weitere Klassiker zu sehen, darunter auch der in England gedrehte Film „Cul-de-sac“ (1967) mit der tollen Françoise Dorléac (Catherine Deneuves Schwester), der ähnlich wie „Das Messer im Wasser“ Machtspiele und Abhängigkeiten innerhalb einer kleinen Gruppe erkundet. (Das Messer im Wasser + Tørn 16. 8., Cul-de-sac 18. 8. Babylon Mitte)

Im Kino in der Brotfabrik macht man mit der 2008 entstandenen Dokumentation „Roman Polanski: Wanted and Desired“ von Marina Zinovich allerdings auch noch einmal auf Polanskis größten Fehler aufmerksam: Seit über dreißig Jahren hat sich der Regisseur dem Urteil in einem Prozess in den USA wegen Sex mit einer 13-Jährigen entzogen. Der Film bietet einen genau recherchierten Überblick über die juristischen Aspekte eines komplizierten Verfahrens, der letztlich auch einige Merkwürdigkeiten des US-amerikanischen Rechtssystems deutlich macht. ([OmU] 19.–21. 8. Brotfabrik-Kino)

Einen der schönsten Filme dieses Frühjahrs hat Sally Potter mit ihrem Jugenddrama „Ginger & Rosa“ (2012) vorgelegt, in dem sie einen ungewöhnlichen Blick auf die Gesellschaft der frühen 1960er Jahre wirft. Denn statt in einer repressiven Umgebung wächst der Teenager Ginger (Elle Fanning) in England in einer freizügigen künstlerischen Boheme auf: Ihr reichlich verantwortungsloser Schriftsteller-Vater geht vor allem seinen Launen und Vergnügungen nach, ermutigt Ginger aber auch zum eigenständigen Denken. Gingers Passion wird der Kampf gegen den drohenden Atomkrieg, der ihr in der Radikalität ihres Teenagerdenkens alsbald unausweichlich erscheint. Das alles kommt jedoch auf den Prüfstand, als Gingers beste Freundin Rosa (Alice Englert) eine Affäre mit Gingers Vater beginnt. „Ginger & Rosa“ ist ein absolut faszinierender Blick auf die Jugendzeit, auf die Suche nach dem eigenen Weg und das in diesem Alter vorherrschende Schwarz-Weiß-Denken, das zur deprimierenden Obsession werden kann. Getragen wird der Film vor allem von der Darstellung der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 13-jährigen Elle Fanning, der besten Schauspielerin ihrer Generation. ([OmU] 15.–21. 8. Bali)