Jahrhundertreform braucht Reformen

Über die Bildung und die Umwelt wollen Politiker aus SPD und Union die geplante Föderalismusreform verändern

BERLIN taz ■ Die Föderalismusreform sollte ganz Deutschland verändern. Jetzt unterziehen Abgeordnete beider Regierungsfraktionen die Reform selbst einer moderaten Reform. Ziel: Der Bund soll in Umwelt- und in Bildungsfragen doch mehr mitreden dürfen, als bisher in der vermeintlichen „Mutter aller Reformen“ vereinbart. Ministerpräsidenten wie Günther Oettinger, Baden-Württemberg, warnten erneut davor, auch nur kleinste Änderungen vorzunehmen. Das könne einen Dominoeffekt auslösen, sodass „wir dann wieder am Anfang stehen“, warnte Oettinger in der Freien Presse.

Anlass für die Änderungspläne bei der Bildung ist für die SPD-Politiker der Ansturm auf die Universitäten in den kommenden Jahren. Im Jahr 2012 werden nach einer Prognose rund 2,3 Millionen Studierende immatrikuliert sein – das wären über 300.000 mehr als heute. Die Länder könnten diesen Anstieg der Studierendenzahlen niemals allein auffangen, warnte Jörg Tauss, Sprecher der Arbeitsgruppe Forschung und Bildung der SPD. Tauss forderte daher, dass sich der Bund an einem Hochschulpakt beteiligt, der kurzfristig mehr Dozenten und Professoren zur Betreuung der Studierenden in die Hochschulen bringt. Nach derzeitigem Stand der Föderalismusreform ist das unmöglich, weil die „Lex Koch“ dem Bund explizit verbietet, die Länder finanziell auf Gebieten ihrer ausschließlichen Kompetenz zu unterstützen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte nach dem Ganztagsschulprogramm des Bundes 2003 gefordert, so etwas dürfe „nie wieder“ möglich sein.

Tauss will im nächsten Jahr über 200 Millionen Euro vom Bund in die Hochschulhaushalte pumpen, die Summer soll bis 2009 auf 380 Millionen aufgestockt werden. Der Bund könne zum Beispiel die in den kommenden Jahren frei werdenden Lehrstühlen ab sofort doppelt besetzen.

Ähnlich denkt Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Dietrich Austermann (CDU), der fordert, dass der Bund sich direkt an der Finanzierung von Studienplätzen in den Bundesländern beteiligen darf – etwa durch Finanzierung von Lektorenstellen an den Hochschulen. Austermann kritisierte den bisher vorgesehenen Hochschulpakt, weil er „einen kompletten Wirrwarr anrichtet, statt Klarheit zu schaffen“. Der Superminister der Union im Norden forderte, die Föderalismusreform in diesem Punkt zu überdenken – sonst „haben wir null Chance, in gleichem Maß zu profitieren wie etwa Bayern“.

Ähnlich konkret sind die Vorstellungen zu einem Justieren der Föderalismusreform bei Umweltpolitikern, hier bei der CDU/CSU. Die Union will verhindern, dass die Wirtschaft bei der Genehmigung von Anlagen in jedem Bundesland andere Umweltvorschriften vorfindet. „Eine integrierte Vorhabenplanung ist nur möglich, wenn der Bund garantiert, dass die Umweltstandards einheitlich sind“, sagte der CSU-Obmann im Umweltausschuss, Josef Göppel, der taz. Wirtschaftsrelevante Vorhaben sollten in einem Verfahren unter allen Umweltgesichtspunkten geprüft und zugelassen werden.

KERSTIN SPECKNER