„Hitler Kebab“, aber null Kommunikation

In Halberstadt war ein Konzert auf Druck der NPD verboten worden. Auch vor dem Auftritt des Schauspielers Serdar Somuncu am Donnerstag protestierten die Rechtsextremen. Somuncu konnte auftreten. Was er bedauerte: Er hatte kein NPD-Publikum

AUS HALBERSTADT ANDREA MERTES

Eine Parallelgesellschaft beginnt da, wo zwei Welten keine Überschneidung finden. Hat man die „Schnauze voll“, wie die DVU-Plakate zu Sachsen-Anhalts Landtagswahl schreien, die am Ortseingang von Halberstadt hängen? Oder ist man „guten Mutes“ wie Michael Haase, stellvertretender Oberbürgermeister jener Stadt, in der ein Landrat vorige Woche der NPD nachgab?

Halberstadt hat vorige Woche den Liedermacher Konstantin Wecker ausgeladen, auf Druck der örtlichen NPD. Im Stadtrat sitzt auch ein NPD-Vertreter. Mit ihm gesprochen hat der CDU-Mann Haase noch nie, „ich könnte nicht mal sagen, wie seine Stimme klingt“. Zwei Seiten, null Kommunikation, jede Menge Ärger. Einer wie Serdar Somuncu hätte da helfen können. Wenn man ihn gelassen hätte.

Serdar Somuncu, Schauspieler und Regisseur, ist der Mann, der Hitlers „Mein Kampf“ als szenische Lesung auf die Bühne gebracht hat. 1.428 Mal hat er daraus gelesen, quer durch die Republik. Der gebürtige Türke liest allerdings nicht nur. Er redet mit jedem, der ihm in die Quere kommt. Im vorigen Oktober haben 25 Vermummte im sächsischen Dippoldiswalde versucht, seine Veranstaltung zu sprengen. Somuncu hat sie daraufhin auf die Bühne geholt und mit ihnen eine Diskussion versucht. Sicherheitsbeamte beendeten diese obskure Form des Improvisationstheaters schließlich. Nicht wenige haben befürchtet, das Szenario könne sich in Halberstadt wiederholen. Nur Somuncu, der zurzeit mit „Hitler Kebab“ tourt, hätte es begrüßt. „Ich hätte jedem, der ‚Heil Hitler‘ ruft, eine Freikarte gegeben.“

Dass die Rechtsextremen vorbeischauen wollten, weiß man in Halberstadt seit dem 8. Februar. Damals protestierte der NPD-Kreisverband in einem Rundfax an die Veranstalter sowohl gegen das Wecker-Konzert wie auch gegen Somuncus Gastspiel im Rathaussaal. Man werde mit „allen rechtlichen Mitteln“ versuchen, die Veranstaltung zu verhindern, andernfalls „massiv an ihr teilnehmen“, schrieb der NPD-Kreischef. Wecker sollte unter dem Motto „Nazis raus aus dieser Stadt“ an einer Schule auftreten, die dem Landkreis untersteht. Somuncu wiederum kam auf Einladung des DGB und eines alternativen Kulturzentrums, die Räume vermietete die Stadt.

Schlauer sein als der Landrat, der die mündliche erteilte Genehmigung für Wecker zurückzog, das wollte die Stadt in jedem Fall. Denn die politische Brisanz einer solchen Absage hat sie inzwischen zu spüren bekommen. Haase hat 400 E-Mails erhalten und 100 Anrufe. Erste Reisegruppen sagten ihre Besuche ab, „das sind Imageschäden“, sagt er.

Als „Hitler Kebab“ stattfindet, wollen die Veranstalter jede Berührung mit den Rechten ausschließen. So wird Halberstadt an diesem Donnerstag, als Somuncu kommt, zur Hochsicherheitszone. Ein Bombenspürhund durchsucht den Rathaussaal. Am Eingang gibt es eine Besucherliste, das Publikum wird durchsucht. „Es ist sinnlos, wenn wir unter uns bleiben und uns versichern, dass wir der gleichen Meinung sind“, meint Somuncu zwar, dennoch: Karten gibt es nur nach Anmeldung. Eine geschlossene Gesellschaft.