Objekte der Profitbegierde

PFLEGENOTSTAND Transparency International hat eine Studie zu Pflege und Betreuung erstellt. Mit der Unterwerfung unter „den Markt“ gehören Betrug und Bestechung, legale und illegale Wege zum Gewinn zum Alltag. Das Renditeversprechen zählt mehr als der Mensch

LESERINNENBRIEFE
Gute Pflege kostet

■ betr.: „Oma wandert von Bett zu Bett“, taz vom 14. 8. 13

Erstens bezahlt hier nicht der Staat, sondern die Beitragszahler zahlen als Solidargemeinschaft. Die Angaben über den Anstieg der Kosten seit 1992 sind irreführend: 1995 ist die Pflegeversicherung eingeführt worden. Bis dahin bezahlten die Krankenkassen einen geringen Anteil, die Hauptlast wurde von den Sozialämtern übernommen. Im Jahr 1995 wurden diese um Milliardenbeträge entlastet!

Die demografische Entwicklung in den 20 Jahren wurde komplett unterschlagen. Bundesweite Vernetzung der Pflegedienste, Organisation in Verbände, ja, sonst würden alle Pflegedienste über den Tisch gezogen, aber führt das zu Unregelmäßigkeiten? Fachkräfte in Pflegediensten nur auf dem Papier? Die Verantwortlichen Pflegekräfte müssen sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt sein, unter Angabe von Krankenversicherung und Mehrfachbeschäftigung.

Für eine Stunde Hauswirtschaft erhält ein Pflegedienst in Hessen 16,40 Euro, das heißt die Tätigkeit selbst, Planung, Qualitätsmanagement, Dokumentation, Verwaltung inklusive. Da lässt sich leicht ausrechnen, was da nach Abzug der Sozialabgaben noch bleibt, um eine Arbeitskraft zu bezahlen.

Schwarze Schafe gibt es überall, möglicherweise auch bei Transparency International. Hier geht es wie immer darum, Schuldige zu finden für Versäumnisse der Politik und der Gesellschaft und grundsätzliche Probleme: Gute Pflege ist nicht billig zu haben! Was fehlt, ist die Wertschätzung der Sorgen und Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und der Leistung der Pflegenden. G. REH

Einiger Schmu

■ betr.: „Oma wandert von Bett zu Bett“, taz.de vom 13. 8. 13

Idioten gibt es überall, leider auch in der Pflege. Ich weiß es, ich stehe kurz vor dem Gesundheits- und Krankenpflegeexamen. Würde man sich endlich mal dazu aufraffen, der Pflege oder allgemein dem Gesundheitssektor bessere finanzielle und somit personelle (!) und materielle Voraussetzungen zuzugestehen, würde mit Sicherheit so einiger Schmu nicht entstehen. FRANZI, taz.de

Ausgeplündert

■ betr.: „Oma wandert von Bett zu Bett“, taz.de vom 13. 8. 13

Arm und alt und weiterhin ausgeplündert. Nur Anekdoten?

Mein Vater hatte die Jahreskarte für Verkehrsmittel, damals für mehr als 600 DM, vergeblich gut versteckt. Die „verlorene“ Karte fand sich schließlich bei der häuslichen Pflegekraft.

Während meine Mutter in ihrer Wohnung versorgt wurde, fuhr die Tochter der Hauspflege mit dem Wagen vor. Aus der fremden Küche wurde sie von ihrer Mutter mit kostenfreiem Frühstück versorgt.

Ein anderer Fall. Die ältere Frau bezog nur eine Armutsrente, stellte aber keinen Antrag auf Sozialhilfe. Trotzdem fuhr noch häufig ihr Sohn vor, um sich einen Teil der Armutsrente zu holen.

Vor allem Frauen, trotz lebenslanger Kindererziehungszeiten und unterbezahlter Erwerbsarbeit, hätten einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen aus der (geringen) Grundsicherung (Sozialhilfe), sie stellen aber keinen Antrag. Den Sparbehörden sind diese Tatsachen durchaus bekannt.

Die große Mehrzahl und vor allem die finanziell armen Alten werden weiterhin in dieser asozialen Reichtumsgesellschaft geplündert, auch von den eigenen Kindern. WOLFGANG, taz.de

Kontrolle nötig

■ betr.: „Oma wandert von Bett zu Bett“, taz.de vom 13. 8. 13

Auf der einen Seite werden die Pflegebedürftigen beziehungsweise deren Krankenkasse betrogen und auf der anderen Seite müssen deren Kinder noch finanziell einspringen, um die betrügerischen Abrechnungen zu zahlen, und deren Leben wird ruiniert? Hallo deutsche Politiker, ihr habt doch so unendlich viele Beamte, warum wird nicht permanent und zwar unangemeldet in solchen Pflegeanstalten kontrolliert und die Heimbetreiber bestraft? UNBENANNT, taz.de

Ware, Ware, Ware

■ betr.: „Oma wandert von Bett zu Bett“, taz vom 14. 8. 13

Es existieren heute fachlich seriös strukturierte Pflegeeinrichtungen, die sich um eine „erfolgreiche“ Mängelverwaltung politischer, pflegerischer, rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen bemühen. Allerdings konzentriert sich die Realität auf eine konkrete und im übertragenen Sinne „‚Aufhübschung der Fassaden“, damit man das Elend der fachlichen und menschlichen Überforderung nicht so sieht.

Was geschieht nun vor dem Hintergrund der politisch gewollten („was das alles kostet“) und rechtlich formulierten Privatisierung des Sozialen?

1. Politische Rechtfertigung des Nichtstuns als Umschreibung für die Ausgrenzung kostenintensiver Mängelverwaltung Mensch in anachronistischen Heimstrukturen. 2. Desolate Stabilisierung der profit- und nonprofitorientierten Versorgungsqualität und des resignativen Bemühens bei der Absicherung einer Satt-sauber-Pflege. Wer zudem als (pflegebedürftiger) Konsument nicht mehr die Weihen des Prinzips „Von der Wiege bis zur Bahre: Ware, Ware, Ware“ erleben kann, erfährt das Drama der Einbahnstraße Altenhilfeversorgung, an deren Ende Heime stehen. Diese wiederum erben sozusagen das Scheitern des gesetzlich vorgeschriebenen Vorrangs der ambulanten Altenhilfe und -pflege. Wer schließlich das altersunabhängige, aktuelle Menschenbild in unserer Hochkultur kennenlernen möchte, sollte Pflegeheime besuchen. WILHELM FRIELING-SONNENBERG, Bielefeld