Und noch eine Idee

Anke Engelke ist zurück! Aber leider nimmt sich ihr Comedy-Experiment „Ladyland“ (22.15 Uhr, Sat.1) noch wie eine Kopfgeburt aus: zu viele Ideen, zu inkonsequent umgesetzt, zu gewollt ungewöhnlich

Von Jenni Zylka

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn in China ein Sack Reis umfällt, landet er bestimmt auf dem Schmetterling, der gerade durch sein Flügelzittern ein Erdbeben in Indien auslösen wollte. Chaostheorie ist eine prima Partywissenschaft: Es macht großen Spaß, sich über die unterschiedlichen Konsequenzen bei nur geringfügig geänderten Konditionen das Gehirn neu zu wickeln. Und wenn eine talentierte Witzewonderwoman wie Anke Engelke daraus sogar ein neues Format generiert, dann holla.

Ein Ort, drei Rollen

Geläutert nach der Late Night Show, gerühmt für die „Ladykracher“ und die „Blind Dates“ hat Frau Engelke, die von den Medien meist nur mit „Anke“ angekumpelt wird, eine neue Sendung für ihren alten Sender produziert: In der mehrteiligen Serie „Ladyland“ sind immer drei Geschichten ineinander verschachtelt, die ihren Anfang am gleichen Ort haben.

Die erste Folge beginnt in einem Hotel: Eine tabletten- und alkoholsüchtige Politikerin (Engelke) wird von ihrem Tross für den Wahltag mit Pillen und Ohrfeigen hochgepäppelt, spornstreichs zur Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens gewählt und hält eine denkwürdige Antrittsrede: „Ich habe keine Ahnung von Politik und bin Alkoholikerin, leckt mich am Arsch!“ Doch die Rede kommt bei den WählerInnen und den internationalen Regierungen so gut an, dass sie tatsächlich ihren MP-Posten antreten soll.

Gleichzeitig besucht eine Hotelangestellte (Engelke) auf eine Zeitungsannonce hin einen berühmten Kunstmaler, um für ihn für einen Akt Modell zu stehen, und enttarnt den großkotzigen Künstler als geifernden alten Grabscher, der einfach nur auf Riesennippel steht.

Die frustrierte, telenovelasüchtige Ehefrau (Engelke) eines kurz im Hotel weilenden Anwalts beordert währenddessen den Chefschreiber der Serie zu sich nach Hause, damit er ein paar Drehbücher für ihre ausgelaufene Ehe schreibt, und muss sich beim letzten Buch mit der Tatsache abfinden, dass es trotz Vertrauen in die Telenovela für ihre Beziehung kein Happy End gibt. Klingt nach einer Kopfgeburt, die schwierig ins Sat.1-Profil passt. Ist es auch.

Vielleicht liegt es an der seicht-sauberen Sat.1-Serienästhetik, vielleicht an Engelkes Selbstverständnis als Comedienne, vielleicht auch einfach an einer gewissen Unausgegorenheit – die erste Folge von „Ladyland“ plantscht zwischen nicht ernstgenommener Tragik, aufgepropfter Engelke-Komik und fehlendem Realismus herum und geht irgendwo auf dem Weg zum neuen, ungewöhnlichen und denkwürdigen Format flöten. Die kleinen, bissigen Geschichten, die sie in Ladykracher mit ihren kurzen Sketchen anriss, sollten laut Engelke hier weiter ausgearbeitet werden. Aber was für einen kurzen Gag reicht, muss in der Länge anders, tiefer, ernster gezeigt werden.

Klar kann Anke Engelke hervorragend besoffene Politikerinnen oder gelackt-depressive Hausfrauen spielen. Die Dramatik einer solchen Figur braucht jedoch Raum, wenn die Geschichten über das Witzniveau hinausgehen sollen, sonst wirkt das Ganze wie ein paar ausgewälzte, seltsam unegal inszenierte Satireversuche, zu schlapp für echte Verstörung der ZuschauerInnen, zu viele Ideen, die ins Leere schießen und das Ziel – vermutlich Chaos, im besten Sinne – verfehlen. Mutig ist sie ja, die Frau Engelke. Jetzt braucht sie nur noch ein paar mutige, am besten selbstmörderische DramaturgInnen.