Nicht totzukriegen

Muffiger Plunder einer unbelehrbaren Karrieristin, angemessen präsentiert: Das Theatermuseum in Hannover stellt „Fotografie, Film, Dokumentation“ der 2003 verstorbenen Leni Riefenstahl aus

Leni Riefenstahl ist nicht totzukriegen. Kaum hatte man 2003 ihre sterblichen Reste verbuddelt, tourte eine „erstmals“ nicht von Riefenstahl autorisierte Ausstellung über Leben und Werk durch Europa. Jetzt ist die Multimedia-Schau in Hannover angekommen und hat die bekannten Reflexe ausgelöst: Der AStA der TU faxt Protest, das lokale Feuilleton schwankt zwischen moralischem Schauder und ästhetisierendem Kotau. Wer alle 400 Exponate – darunter „viele bis heute unveröffentlichte“ Stücke – abschreitet, versteht die Aufregung nicht, bemerkt aber bald, dass die NS-Heroine und ihr Oeuvre im kleinen Theatermuseum sehr gut aufgehoben sind.

Zwischen alten Bühnenbildern und verstaubten Kostümen fristen sie nämlich ein eher tristes Dasein. Und man kann nicht behaupten, dies schade der Sache. Abteilung I (1924 bis 1932) ist den Bergfilmen gewidmet. Die Bilder vom Set suggerieren unbekümmerte Pfadfinderseligkeit, aus Jung-Leni indes rinnt „Opferwillen“ und „Sehnsucht“ nach einer Natur, „die den Menschen erhebt, indem sie ihn zermalmt“. Ähnlich antiquarische Blödheit entfaltet ihr Regieerstling „Das blaue Licht“. Da braucht es heuer schon ein restlos leer gebrabbeltes Hirn wie das von Alice Schwarzer, um Riefenstahls verschwiemelte Mystik mit Sätzen wie diesem zu preisen: „Die Symbolik des phallischen Berges überstrahlt Riefenstahl mit der Symbolik der vaginalen Grotte“ (Emma 1999).

Dass sich die Regisseurin künstlerische Freiheit mit obsessiver Ranschmeiße an die Nazi-Bonzen erkaufte, ist in den Abteilungen II bis V bestens dokumentiert und trug ihr schon damals den Spitznamen „Reichsgletscherspalte“ ein. Letzteres zu Unrecht, denn ihr wahrer Bruder im Geiste war die ebenso gernegroße Schöpfernatur Albert Speer, dem die glücklich Entnazifizierte vor Selbstmitleid triefende Briefe in den Spandauer Knast schickte.

In der Zusammenschau entlarvt sich all das als muffiger Plunder einer unbelehrbaren Karrieristin und „hysterischen“ (Goebbels) Egozentrikerin, die der Öffentlichkeit immer wieder in die Tasche log: „Ich habe niemals einen Massenmord gesehen, ich habe niemals ein Konzentrationslager gesehen, ich habe niemals von Eichmann gehört.“ Die Geschichte weiß es besser. Ohne Zweifel verstand sie etwas vom Filmemachen, das haben schon Buñuel, Chaplin oder Cocteau bezeugt, gemocht hat sie keiner. Auch nicht Bergfilm-Partner Luis Trenker, der – und das ist eine echte Entdeckung der Ausstellung – 1945 plante, Eva Brauns Tagebuch zu fälschen, um mit saftigen Enthüllungen unter anderem über Riefenstahl ein paar Dollar zu machen.

Leider hat er es nie geschrieben. Und so konnte sie noch jahrzehntelang wehrlose Afrikaner, bunte Fische oder das Ehepaar Jagger knipsen und im FAZ-Fragebogen ungestraft Mutter Theresa ihre „Heldin der Wirklichkeit“ nennen. In die Spalte „Ihr Motto?“, schrieb Leni Riefenstahl einfach: „Durchhalten“.MICHAEL QUASTHOFF

„Leni Riefenstahl – Fotografie, Film, Dokumentation“, Theatermuseum Hannover; Di–Fr + So 14–19.30 Uhr; bis 11. Juni 2006