Musharraf unter Mordanklage

PAKISTAN Gericht untersucht, ob der frühere Militärmachthaber Pervez Musharraf in den Mord an der früheren Premierministerin Benazir Bhutto im Jahr 2007 verwickelt war

Musharraf soll Benazir Bhutto vor ihrer Rückkehr nach Pakistan bedroht haben

VON SASCHA ZASTIRAL

BANGKOK taz | Ein Antiterror-Gericht in der Garnisonsstadt Rawalpindi hat am Dienstag Anklage gegen den Exmilitärherrscher Pervez Musharraf erhoben. Er soll für den Tod seiner damaligen Rivalin, der früheren Premierministerin Benazir Bhutto, verantwortlich sein. Bhutto wurde Ende 2007 nach einer Wahlkampfveranstaltung bei einem Anschlag getötet. Die Anklagepunkte lauten auf Mord, Beihilfe zum Mord und auf Verschwörung. Auch sechs weitere Personen wurden angeklagt, darunter hochrangige Polizeioffiziere. Alle Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.

Die Beweislage ist relativ dünn. Zwar kam ein Untersuchungsteam der Vereinten Nationen zu dem Schluss, dass Musharrafs Regierung damals nicht genug unternommen habe, um den Anschlag zu verhindern. Die Sicherheitsvorkehrungen seien „mangelhaft und ineffektiv“ gewesen. Die pakistanischen Ermittler hätten so schlampig gearbeitet, dass schon am Anschlagsort zahlreiche Beweise vernichtet worden seien. Doch stützt sich die Anklage jetzt offenbar vor allem auf Äußerungen des Lobbyisten Mark Siegel, eines Freundes von Bhutto. Ihm zufolge bedrohte Musharraf die Politikerin kurz vor deren Rückkehr nach Pakistan im Oktober 2007 am Telefon. In einer E-Mail soll sie zudem geschrieben haben, dass nur vier Personen dafür verantwortlich sein könnten, falls ihr etwas zustoße: der Exchef des Geheimdiensts ISI, ein Geheimagent, ein politischer Rivale und Musharraf. Ob das reicht, um Letzteren wegen Mordes zu verurteilen, ist fraglich.

Musharrafs Verteidiger weisen die Vorwürfe zurück. Diese seinen „nicht nur falsch, fabriziert und fiktiv, sondern auch ein würdeloser Versucht, die Ehre und Integrität des ehemaligen Präsidenten zu beschmutzen“, heißt es in einer Erklärung.

Doch selbst nach einem Freispruch bei diesem Verfahren wäre Musharraf nicht aus dem Schneider. Ihm drohen weitere Anklagen. So soll ihm auch wegen der gezielten Tötung des belutschischen Separatistenführers Nawab Akbar Khan Bugti, der 2006 bei einer Militäroperation getötet wurde, der Prozess gemacht werden.

Weitaus schwerer wiegt jedoch eine mögliche Anklage wegen Hochverrats, die in Pakistan nur die Regierung anstreben kann. Pakistans Premierminister Nawaz Sharif hat erst im Juni angekündigt, dass seine Regierung ein solches Verfahren gegen Musharraf einleiten werde. 1999 war Sharif vom damaligen Armeechef Musharraf aus dem Amt geputscht worden und hatte sich selbst als Machthaber installiert.

Der Vorwurf des Hochverrats bezieht sich auf eine Episode von 2007: Damals setzte Musharraf, als er immer mehr in Bedrängnis geraten war, die Verfassung aus und verhängte den Notstand. Viele der hohen Richter, die Musharraf damals unter Hausarrest stellen ließ, sind heute wieder im Amt. Vor allem Iftikhar Muhammad Chaudhry, Pakistans oberster Richter, dürfte sich die Gelegenheit zur Revanche bei seinem damaliger Widersacher nicht entgehen lassen. Auf Hochverrat steht die Todesstrafe.

Dass sich Musharraf überhaupt in Pakistan aufhält, ist Ergebnis einer Fehleinschätzung. Offenbar war es ihm in seinem Exil in Dubai und London, wo er seit seinem Sturz 2008 gelebt hatte, langweilig geworden. Im März kehrte er im Glauben großer Beliebtheit nach Pakistan zurück. Doch schon am Flughafen von Karatschi tauchten zu seiner Begrüßung statt der erhofften großen Menschenmenge nur einige hundert Unterstützer auf. Von da an ging es bergab. Gerichte kassierten mehrere Versuche des Exdiktators, sich als Kandidat für die Parlamentswahlen im Mai aufstellen zu lassen. Dann stellte ihn ein Gericht sogar unter Hausarrest. Seine unausgereiften Pläne für ein politisches Comeback lagen in Scherben.

Beobachter schauen nun gespannt darauf, wie Pakistans Generäle auf die Anklage gegen ihren Exchef reagieren. Zwar hat sich Pakistans Militär von seinem ehemaligen Befehlshaber größtenteils abgewandt. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Pakistans Generäle – die das Land seit der Gründung 1947 mehr als die Hälfte der Zeit direkt kontrolliert haben – zulassen werden, dass ein Exarmeechef verurteilt und womöglich hingerichtet wird.

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