Regieren ist ein Rollenspiel

Die Arbeitsteilung der schwarz-gelben NRW-Koalition funktioniert: Die CDU gibt sich konservativ, aber sozial. Die Liberalen dagegen mögen es zeitgeistig-radikal – nicht nur in der Energiepolitik

ANALYSE VONANDREAS WYPUTTA

Auf die milliardenschweren Subventionen für die Steinkohlezechen im Ruhrgebiet angesprochen, gibt Gerhard Papke den Hardliner: Gern spricht der Chef der FDP-Landtagsfraktion dann über den „drastischen Arbeitsplatzabbau“, vor dem der Bergbau stehe. Papkes Strategie: Er will seine Liberalen als die Partei profilieren, die möglichst schnell aus der defizitären Kohleförderung aussteigt. Eine „Zäsur“ sei die gemeinsame Energiepolitik der neuen, von CDU und FDP getragenen Landesregierung: „Der Auftrag der Politik, Steinkohle zu fördern, läuft aus.“

Ganz anders dagegen die nordrhein-westfälischen Christdemokraten. Schon vor der Landtagswahl hatte sich deren Parteichef, der jetzige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, um Mäßigung bemüht. Unter Tage gebe es „keinen Schalter“, mit dem die Kohleförderung „einfach ausgeschaltet“ werden könne, hatte Rüttgers mehrfach betont. Auch Nordrhein-Westfalens CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben versucht alles, um die Kohlekumpel in Sicherheit zu wiegen: „Es ist klar, dass der Abbau der Steinkohlesubventionen sozialverträglich gestaltet werden muss“, betont die im Bochumer Stadtteil Wattenscheid lebende Ministerin immer wieder. „Kein Bergmann wird ins Bergfreie fallen.“ Und Ronald Pofalla, Generalsekretär der Bundes-CDU, ging Anfang März vor den Betriebsräten der Deutschen Steinkohle AG sogar noch einen Schritt weiter. Angesichts der wachsenden Unsicherheit auf den Weltenergiemärkten könne die Zukunft der Zechen an Rhein und Saar durchaus noch einmal neu verhandelt werden, machte er den Bergleuten Hoffnung.

Dennoch droht kein Koalitionskrach zwischen CDU und FDP. Die unterschiedlichen Positionen sind vielmehr zwei Facetten der gleichen Strategie: Nicht nur in der Energiepolitik versucht das bürgerliche Bündnis, seine politischen Ziele durch unterschiedliche Positionierung durchzusetzen. So versucht FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart, seine allgemeinen Studiengebühren als neue Freiheit der Hochschulen zu verkaufen. Regierungschef Rüttgers dagegen will mit Krediten für eben diese Studiengebühren soziale Härten vermeiden. Und CDU-Finanzminister Helmut Linssen, Herr der knappen Kassen, wirbt für Einsparungen bei sozial Schwachen, bei Kindern und Jugendlichen, die von den Wirtschaftsliberalen um Papke natürlich unterstützt werden. Die Volkspartei CDU gibt sich konservativ, aber sozialverträglich. Der kleine Koalitionspartner FDP dagegen segelt deregulierend im radikalen Zeitgeist – das ist die Arbeitsteilung der schwarz-gelben Koalition.

Ihre Ziele aber verlieren Christdemokraten und Liberale dennoch nicht aus den Augen. In der Energiepolitik werde der „sozialverträgliche Auslauf des subventionierten Bergbaus“ angestrebt, heißt es bereits im Koalitionsvertrag. Den Preis dafür kennen auch die Christdemokraten – auch wenn sie gerade vor Bergleuten ungern so deutlich werden wie Thobens Wirtschafts-Staatssekretär Jens Baganz: Natürlich werde der Subventionsabbau Arbeitsplätze im Bergbau und bei seinen Zulieferern kosten, räumte der Mülheimer Ex-Oberbürgermeister vor zwei Wochen im Landtag ein. Die „Wertvernichtung“ durch Steinkohlesubventionen aber könne nicht fortgesetzt werden.