Gegen die Verfassung

GRUNDGESETZ Jurist hat Zweifel an Ein Euro-Jobs

Ein-Euro-Jobs sind „verfassungswidrig“. Nein, das ist nicht die herrschende Meinung unter den Juristen, das weiß auch Jan Gehrken, der selbst einer ist. Aber er hat für seine Rechtsposition gleich mehrere und durchaus plausible Argumente. Am Dienstag stellte er sie auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Initiative in Bremen vor.

Da ist zum einen die Berufsfreiheit – also auch die Freiheit, einen Beruf nicht zu wählen – und das Arbeitszwangverbot aus Artikel zwölf des Grundgesetzes. Wer arbeitslos ist, muss den ersten gerade noch zumutbaren Ein-Euro-Job annehmen. „Das ist unverhältnismäßig“, sagt Gehrken – es müsse zumindest eine Auswahl geben. Wer ablehnt, verliert 30, im Falle einer zweiten Weigerung 60 Prozent, beim dritten Nein sogar alle Transfergelder. Und diese Drohung, so Gehrken, „ist relativ eindeutig ein Zwang“. Verfassungsrichter beurteilen das anders, sie halten nur Arbeitslager für verboten.

Doch das ist nicht Gehrkens einziges Argument: Er sieht in den Ein-Euro-Jobs auch einen Widerspruch zum verfassungsgerichtlich verbrieften Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum. Davon könne im Falle sanktionierter Arbeitsloser mit gekürzten Zuwendungen aber nur noch die Rede sein, wenn man das Existenzminimum mit dem reinen Überleben gleichsetze, so Gehrken.

Schließlich liefert aus seiner Sicht auch die Tarifautonomie, niedergelegt in Artikel neun des Grundgesetzes, eine Begründung, warum Ein-Euro-Jobs der Verfassung widersprechen. Sie verdrängten reguläre Beschäftigung und wirkten massiv auf die Arbeitsbedingungen aller, zumindest der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten ein – das aber sei den Tarifparteien vorbehalten. Am Ende, so Gehrken, gelte der Grundsatz: „Nur wer arbeitet, soll auch essen.“ MNZ