„Von China lernen“

DEBATTE Der China-Korrespondent Felix Lee will uns erklären, was der Westen von China lernen kann

■ 38, in Wolfsburg aufgewachsen, studierte VWL und Politik, arbeitete bei der taz in Berlin, heute als China-Korrespondent.

taz: Felix Lee, kann man von China lernen, dass Kapitalismus ohne Demokratie geht?

Felix Lee: Das sollten wir nicht abgucken. In der Tat: Vor 20 Jahren dachte man, wenn die Marktwirtschaft erst einmal in China eingeführt ist, dann wird die Demokratie von selbst kommen. Das hat sich nicht so entwickelt.

In Europa hat es auch ein paar Jahre länger gedauert. Gibt es ein Verlangen nach mehr Respekt, nach Menschen- und Teilhaberechten unter Chinesen?

Auf jeden Fall. Es gibt große Proteste in China, sie sind rechtlich leider nicht so geschützt wie in Europa.

Wie kann man den rabiaten Kapitalismus mit so viel Kommunis im Kopf verbinden?

Das ist auf den ersten Blick paradox. Aber so sehr frei ist die Marktwirtschaft ja nicht in China, der Staat hat viel mitzureden. Das finde ich auch nicht schlecht: Das betrifft die Aspekte, die im Westen zu den bekannten Krisen geführt haben. Die chinesische Führung hat ein besseres Verständnis, mit dem Bereich der Wirtschaft umzugehen.

Kommunismus heißt da nicht Freie Assoziation der Produzenten, sondern starker Staat?

Ja. Auch wenn das nicht nicht unbedingt dem entspricht, was Karl Marx sich gedacht hat.

Und das können wir von China lernen?

Der Bankensektor ist streng reguliert in China, zum Beispiel. Schlüsselindustrien werden gezielt gefördert. Wir regen uns hier auf darüber, dass ein Solarpanel aus China unglaublich billig ist. Klar, aber China subventioniert die Solarenergie nicht, um europäische Konkurrenten auszuschalten, sondern um Solarpanele im eigenen Land für alle preiswert zu machen.

INTERVIEW: KAWE

20 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4