Von und für Migranten

Ein neues Projekt in Bielefeld will mehr Ausbildungsplätze in migrantischen Unternehmen schaffen. Denn Informations- und Sprachdefizite verhindern oft, dass solche Betriebe Azubis einstellen

VON CLAUDIA KÖNSGEN

Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen möchte die gemeinnützige Gesellschaft für interkulturelle Bildungs- und Beratungsangebote Mozaik mit dem Projekt „Erstausbildung in Zuwandererbetrieben“. Mit dem vor acht Wochen gestarteten Modellprojekt unternimmt Koordinatorin Sevim Yilmaz etwas gegen die Arbeitslosigkeit von ALG-II-Empfängern aus Zuwandererfamilien und bekämpft gleichzeitig den Lehrstellenmangel. In Bielefeld sind derzeit 1.300 Jugendliche unter 25 Arbeitslosengeld-II-Empfänger – und 45 Prozent davon sind Migranten.

Gerade für sie ist es schwierig nach der Schule eine Azubistelle zu bekommen, erklärt Jörg Deibert von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen. Schließlich konkurrierten in Ostwestfalen ohnehin 8.000 Bewerber um nur 3.000 Lehrstellen. Hinzu kommt: Nur etwa die Hälfte der 7.000 regionalen Unternehmen, die ausbilden könnten, würden dies auch tun, so Deibert.

Ungenutzte Ressourcen für die Schaffung von Lehrstellen“ lägen in Zuwandererfirmen und -betrieben – und dort vor allem in den Branchen Gastronomie, Handwerk und Handel, ergänzt Yilmaz. Oft würden sich die migrantischen Arbeitgeber nicht mit hiesigen dualen Ausbildungssystem auskennen, so Deibert: „In einem ersten Schritt versuchen wir Basiswissen zu vermitteln.“ Viele Unternehmer wüssten etwa nicht, dass ein Meisterbrief an der Wand nicht zwingend Voraussetzung ist, um ausbilden zu dürfen. Trotzdem sei natürlich eine gewisse Vorbildung von den Ausbildern nötig, räumt er ein.

Yilmaz hat zudem die Erfahrung gemacht, dass neben dem Informations- auch das Sprachdefizit für viele ein Problem sei, weshalb sich Unternehmer ungern mit Arbeitsagentur oder IHK in Verbindung setzen würden. Aus diesem Grund blieben vorhandene Koch-, Friseur- und Automobilkaufmannslehrstellen oftmals unbesetzt.

Neben Hilfestellungen für solche Fälle versuchen Yilmaz und ihr Projektteam, von Migranten geführte Betriebe dazu zu animieren, jungen Migranten auszubilden. Dabei argumentieren sie gegenüber potentiellen Arbeitgebern vor allem damit, dass durch die Ausbildung von Lehrlingen auch in die Zukunft des eigenen Unternehmens investiert wird. „Denn qualifizierte Arbeitskräfte laufen für gewöhnlich nicht auf der Straße herum“, erklärt die Koordinatorin. Unterstützt wird das Projekt vom Land NRW und der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Bielefeld, die 100.000 Euro für Personal- und Sachkosten geben. Kooperationspartner vor Ort sind IHK, Handwerkskammer und Agentur für Arbeit.

Zwischen Migrantenunternehmen und diesen drei Organisationen übernimmt die Mozaik-Gesellschaft eine Art „Brückenfunktion“, so die Projektleiterin. Von der Bielefelder Arbeitsagentur erhalte das Team die nötigen Bewerberdaten, während die beteiligten Unternehmen Bewerbungsschreiben zur Sichtung einreichten. „Die Mozaik-Mitarbeiter prüfen die Bewerbungsunterlagen und vergleichen sie mit den angeforderten Profilen, um für die Unternehmen zügig eine Vorauswahl zu treffen“, erklärt Yilmaz. Auch Bewerbungsgespräche und Betriebsbesichtigungen gehören zu ihren Aufgaben.

Das Projekt zur Ausbildungsakquise ist zunächst bis Ende 2006 befristet, soll bei Erfolg jedoch fort geführt werden, so Yilmaz. Bisher sei das Team auf 20 Betriebe zugegangen, von denen sich zehn damit einverstanden erklärt hätten, Stellen für Azubis und Praktikanten zu schaffen.

Das Werben um potentielle Ausbilder scheint also zu funktionieren. Nun muss nur noch die Suche nach den passenden Bewerbern klappen. Für das erste Unternehmen, das ausbilden wollte – die IT-Firma FIP – ist allerdings nach eigenen Angaben noch nicht die passende Auszubildende gefunden worden.