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Bei Depression in die gelbe Gummizelle

Der Psychoanalytiker Hartmut Kraft hat Künstler gebeten, seinen Rezeptblock auszufüllen. Herausgekommen sind: eine abwischbare Couch, ein Gesundheitsattest am Nagel und diverse Selbstmedikationen. Kunst auf Rezept eben – zu sehen in der Bremer Galerie im Park

Was hilft gegen eine Kunstinterpretationskrise ebenso wie gegen Manie und Depressionen? Wahrscheinlich nur eins: Kunst auf Rezept. Der Kölner Neurologe und Psychoanalytiker Hartmut Kraft hat Künstler seinen Job erledigen und Rezepte ausstellen lassen. Als in den achtziger Jahren die wabbeligen schwarz-weißen Rezeptformulare der Krankenkassen durch repräsentativere, rosafarbene Exemplare ersetzt wurden, blieb er auf einem dicken Rezeptblock sitzen. Den verschickte er blattweise an 240 Künstler.

2001 trennte er sich schweren Herzens von seinem letzten Rezept. Da hatten schon 161 Künstler geantwortet: mit Malereien, Zeichnungen und Fotografien ebenso, wie mit Objekten, Skulpturen und einem Video. Die Sammlung von Hartmut Kraft ist jetzt in der Galerie im Park, Schnittstelle von Kunst und Medizin auf dem Gelände des Bremer Klinikums Ost, zu sehen.

Was liegt näher als eine Farbtherapie? Zwei Eimer, mit dicken Farbschichten gelb und schwarz ausgekleistert, verschreibt der gebürtige Österreicher Sery C. – gelb für Depressive, schwarz für Maniker. Diese „Gummizellen für den Hausgebrauch“ können bei Bedarf einfach übergestülpt werden. Todernst erklärt Hartmut Kraft im Video dazu die Wirkung der Farben, als hätte man etwas davon, wenn man mit der Nase an der Eimerwand klebt. Von dieser Radikalkur erholen kann man sich auf der ebenfalls gummiüberzogenen Couch. Der quietschgelbe Plastiküberwurf scheint unappetitliche Ausscheidungen abzuweisen, die aus seelischen Abgründen hervorquellen. „Angst lässt die Seele baumeln“, steht – tröstend und drohend – auf dem angepinnten Rezept.

Nach Name, Arbeitgeber und Wohnung des Patienten fragt der Vordruck, verlangt nach der Unterschrift des Arztes und einer „Empfangsbestätigung“ auf der Rückseite. Raum für den Künstler, sich zu positionieren: Als Wissender und Helfer oder als Bedürftiger. Heike Ruschmeyer etwa verschreibt sich selbst Baldrian, einen Hammerschlag oder Dauerschlaf, einem Patienten nach Wahl des Arztes allerdings ein Ölbild aus ihrer Produktion im Wert von 180.000 Euro. Anatol tritt ebenfalls als Patient, Arzt und Apotheker in einer Person auf. „Davorsitzen, betrachten, nachdenken über alles. Weitererzählen, was war“, empfiehlt er als Gebrauchsanweisung zu einem kleinen Bleiobjekt.

Louise Bourgeois dagegen quittiert einfach den Empfang, wie der Kassenpatient nach der Physiotherapie-Stunde. Name, Ort, Datum, fertig. Wenn der Name Louise Bourgeois lautet, ist das mehr als genug. Überhaupt zeichnen sich zahlreiche Stücke der Sammlung ebenso durch den Künstlernamen wie durch bestechende Arbeitsökonomie aus. Kurator Achim Tischer schwankt noch, ob er die Postkarte von Christo und Jeanne Claude mit dem Bild des verhüllten Reichstags überhaupt aufhängen soll. Da überzeugt Günther Ueckers Holzhammer-Therapie viel mehr. Nagel mitten durchs Rezept geschlagen und die Diagnose bescheinigt: „Healthy“. Annedore Beelte

Bis 30.4., Züricher Str. 40, Bremen

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