Alte Glotzen feiern Comeback

In Berlin gibt es einen regen Handel mit alten Elektrogeräten. Der Exilmazedonier Jonny steht jeden Tag vor einem BSR-Recyclinghof und sammelt gebrauchte Fernseher, Videogeräte oder Computer. Die verkauft er nach Polen

Jonny steht schon seit dem Morgen vor dem Recyclinghof der BSR an der Behmstraße in Pankow. Wie das Schild eines Anhalters hat er einen alten Fernseher in eine Parklücke gestellt. Der weist darauf hin, dass er ausgediente Elektrogeräte annimmt. Jene verkauft der Mazedonier weiter nach Polen. Dort werden sie repariert und kommen wieder in den Handel, oder sie dienen als Ersatzteillager.

„Reich wirst du davon nicht“, sagt Jonny und winkt ab. „Die Polen auch nicht“, fügt er lakonisch hinzu. Er raucht hektisch und beobachtet den Autoverkehr, während der Wind ihm kalt ins Gesicht weht. Wenn er spricht, sind seine braunen Augen lebhaft. Sorgfältig rasiert ist er, und das ergraute Haar hat der 45-Jährige nach hinten gekämmt. Jonny legt Wert auf sein Äußeres. Unter seiner Winterjacke trägt er einen Anzug.

Seinen Nachnamen behält er für sich. „Ist doch egal“, meint Jonny und nickt einer vorbeifahrenden Autofahrerin zu. Vor 14 Jahren kam er nach Deutschland, als in Mazedonien Krieg herrschte. Früher war er Polizist, aber das war in einem anderen, fernen Leben. Er blieb in Berlin und schlägt sich seitdem durch.

Häufig kommt er schon früh am Morgen, denn dann bringen die meisten Menschen ihre Elektrogeräte zur BSR-Annahmestelle. Manchmal halten sie an und überlassen ihm die ausgedienten Geräte – vor allem, wenn die Stadtreinigung sie nicht kostenfrei annehmen will. „Der Tag läuft nicht gut“, erzählt Jonny und zeigt auf die Mauer. „Kannst du an einer Hand abzählen.“ In einer Nische stehen ein Computer, ein Videogerät und ein Fernseher. Ein weißer Ford hält in einer Parklücke, Jonny hat ihn sofort bemerkt. Er geht zum Fahrer und bekommt einen Verstärker mit zwei Lautsprechern überreicht, die er zu den anderen Geräten stellt. „Ist kaputt, muss man sehen, ob das noch was taugt“, sagt er.

Die Stadtreinigung lässt Jonny in Ruhe, schließlich trägt er zur Müllvermeidung bei, und daran hat auch die BSR ein Interesse. Auf ihrer Homepage (www.bsr-online.de) hat sie eigens dafür einen Tausch- und Verschenkmarkt eingerichtet. Häufig werden nämlich Geräte im Müll entsorgt, die zwar veraltet sind oder nicht mehr gefallen, aber noch funktionstüchtig sind. In dem Internetportal können Elektrogeräte ebenso wie Möbel und Hausrat oder Bücher und Brennholz veräußert werden. Eine Mikrowelle wird dort angeboten, die laut Beschreibung keine Schönheit mehr ist, aber noch tadellos funktioniert. Jemand verschenkt vier Monitore, ein anderer Inserent tauscht eine Tüte voll Kassetten mit Musik aus den 90ern gegen eine Tafel Vollmilchschokolade. Das Bedürfnis scheint groß zu sein, ausgediente Gegenstände abzugeben, ohne damit ein Geschäft zu machen.

Darauf hofft auch Jonny. Für ihn endet der Arbeitstag um halb drei. Zwei Männer wechseln ein Rad an dem Volkswagen mit polnischem Kennzeichen. Das sind seine Kollegen. Sie kommen aus Pommern. „Ungefähr eine Stunde östlich von Stettin“, erzählt Jonny. Wie sieht es mit Arbeitsplätzen in Polen aus? „Katastrophal“, antwortet er. Sein Deutsch ist brüchig, seine Aussagen fallen knapp aus. Polnisch zu sprechen sei einfacher für ihn, erklärt er. Jonny verabschiedet sich von den beiden Männern am Auto, dann nimmt er seinen Regenschirm und geht zur Haltestelle an der Bornholmer Brücke. Mit der Straßenbahn fährt er zu seiner Wohnung im Wedding. Die teilt er sich mit einem Freund aus Mazedonien. Der ist – wie er auch – durch den Krieg in Berlin gestrandet. Zurück will er nicht mehr, aber von einer Zukunft spricht er auch nicht.STEFAN OTTO