Wenn’s mal um mehr als 20 Cent geht

MEDIATION Die Hamburger Handwerkskammer bietet eigene Vermittlung in Streitfällen zwischen Handwerksbetrieben und ihren Kunden oder zwischen verschiedenen Firmen an. Fast immer wird auf diesem Weg ein teurer Rechtsstreit vermieden

VON SEBASTIAN BRONST

Egal ob handfester Streit über die Höhe von Rechnungen, Konflikte um angeblich mangelhafte Leistungen oder Probleme mit unzuverlässigen Lieferanten und säumigen Kunden – auch das Handwerk ist nicht frei von Spannungen. Tagtäglich kommt es zu mehr oder weniger gravierenden Problemen zwischen Betrieben oder zwischen Firmen und ihren Kunden. Damit nicht jeder Fall gleich vor Gericht landet, setzt auch die Hamburger Handwerkskammer auf eigene Schlichtung und Mediation. „Vermittlung“ nennt sie diese Aufgabe, die ihr schon aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen obliegt.

Wie beginnt ein „Vermittlungsverfahren“?

Es genügt ein formloser Erstkontakt zur Schlichtungs- oder Rechtsberatungsstelle mit der Bitte um eine Vermittlung – sei es per Telefon, E-Mail oder Brief. Zwei Mitarbeiterinnen der Rechtsabteilung der Hamburger Handwerkskammer befassen sich mit derartigen Anfragen und leiten die nötigen weiteren Schritte ein. „Es ist ein komplett informelles Verfahren“, sagt Dietmar Buchholz, der bei der Kammer die Rechtsabteilung leitet.

Oft können erfahrene Angestellte den Fall schon lösen, ansonsten schalten sich die hauseigenen Rechtsberater ein. Nicht zu den Aufgaben der in aller Regel kostenlos arbeitenden Schlichtungsstelle gehören allerdings reine Rechtsauskünfte für Verbraucher. Die sind ihr schon von Gesetzes wegen verboten. Sie wird nur im Rahmen der Vermittlung zwischen Kunden und selbstständigen Handwerksbetrieben tätig, die sich um eine Einigung bemühen.

Wie läuft das Mediationsverfahren ab?

Das hängt ganz vom Einzelfall ab, ein festgelegtes Verfahren gibt es nicht. Generell sondieren die Kammer-Experten die rechtliche Lage, suchen das Gespräch, versuchen entstandene Missverständnisse auszuräumen und sprechen dann am Ende ihre Empfehlungen aus. „Ziel ist immer, eine gütliche Einigung herbeizuführen“, sagt Buchholz. Dabei gilt: Auch wenn eine der Konfliktparteien der Handwerkskammer angehört, verhalten sich die Mediatoren strikt neutral.

Oft geht es schnell, bisweilen erfordert das Verfahren allerdings auch langwierige Treffen, Aktenstudium oder mehrere Ortstermine. Die Arbeit der Schlichtungsstelle hat allerdings auch ihre Grenzen: Sie kann niemanden zu irgendetwas zwingen und kann selbst keine Gutachter beauftragen, etwa um Rechnungen zu überprüfen. Das können nur die Streitparteien selbst in die Wege leiten. Die Mediatoren können dies jedoch anregen, beim weiteren Prozess vermitteln und bei der Auswahl der Experten helfen.

Wie viele Fälle schlichtet die Kammer?

Nach eigenen Angaben erreichen die Handwerkskammer durchschnittlich etwa zehn Anfragen pro Tag. Die Komplexität und die Art der Fälle schwanken sehr stark. Ein großer Teil stammt von unzufriedenen Kunden, die sich über ihrer Meinung nach mangelhaft ausgeführte Arbeiten beschweren. Aber es geht auch um innerbetriebliche Fragen und arbeitsrechtliche Konflikte oder komplexe Streitfälle, etwa bei Betriebsinsolvenzen.

„Es ist alles dabei“, sagt Buchholz. Ein Schwerpunkt lasse sich kaum nennen. Mal gehe es um einen Handwerker-Kunden, der einen Feiertagszuschlag von 35 Euro nicht zahlen wolle. Er habe aber auch schon bei Konflikten zwischen Projektpartnern etwa beim Bau der Elbphilharmonie vermittelt. „Bei solchen Fällen kann es um Millionen Euro gehen.“ Eine Untergrenze ist für ihn bei Bagatell-Fällen erreicht. Er habe schon mit Leuten zu tun gehabt, die sich wegen eines Streits um 20 Cent beschwerten. „Die pfeife ich an.“

Wie hoch ist die Erfolgsquote?

Buchholz zufolge ist der Anteil der erfolgreichen Vermittlungen extrem hoch. „Ich schätze, er liegt bei 90 bis 95 Prozent.“ Höchstens in einem von zehn oder einem von 20 Fällen verweigere sich eine Seite der Mediation völlig, womit den Vermittlern die Hände gebunden sind. Grund für die hohe Akzeptanz ist für den Rechtsberater die unparteiische Position, die er und seine Kollegen einnehmen, so Buchholz. „Es ist die neutrale Rolle. Dass da ein Außenstehender ist, der zu beiden Seiten sagt: Jetzt darfst Du mal sagen, was Du denkst.“

Die meisten Betroffenen würden indes auch die sachlichen Vorteile einer gelungenen Vermittlung erkennen, sagt Buchholz. Gehe ein Streit erst vor Gericht, sei dies teuer und könne Jahre bis zu einer Entscheidung dauern. Gerade für kleine und kleinste Handwerksbetriebe, die sich mit Geschäftspartnern in komplizierteren Konflikten befänden, seien die Kosten von Rechtstreitigkeiten oft kaum zu stemmen.