Atomwissenschaftler aus dem Iran ist bei der CIA gelandet

GEHEIMDIENSTE Ein in Saudi-Arabien verschwundener Pilger soll übergelaufen sein. Teheran: Entführung

■ Im Atomstreit mit dem Iran will US-Präsident Barack Obama in den kommenden Wochen verschärfte UN-Sanktionen gegen Teheran durchsetzen. Noch im Frühjahr solle der UN-Sicherheitsrat neue Strafmaßnahmen beschließen, sagte Obama am Dienstag nach einem Gespräch mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Washington. Dazu ist die Zustimmung der fünf Veto-Mächte erforderlich. Auch die Außenminister der G-8-Staaten riefen den Iran „auf eindringlichste Weise“ zur Zusammenarbeit mit der sogenannten Sechsergruppe auf, die aus den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern und Deutschland besteht und die mit der Regierung in Teheran über das Atomprogramm verhandelt. Zum Abschluss eines Treffens im kanadischen Gatineau erklärte Kanadas Chefdiplomat Lawrence Cannon, man wolle den Dialog mit Teheran offenhalten, rufe aber die internationale Gemeinschaft dazu auf, „geeignete Schritte zu unternehmen, um den Druck auf den Iran zu erhöhen“.

BERLIN taz | Ein iranischer Atomwissenschaftler ist angeblich zum US-Geheimdienst CIA übergelaufen. Wie der US-Fernsehsender ABC am Dienstag berichtete, ist Schahram Amiri, der im vergangenen Jahr auf rätselhafte Weise verschwunden war, mittlerweile für die CIA tätig. Es sei ein „Coup“ gewesen, um das iranische Atomprogramm zu unterlaufen, zitierte der Sender amerikanische Geheimdienstler.

Amiri, Mitte dreißig, war am 31. Mai vergangenen Jahres von Teheran aus zu einer Pilgerreise nach Saudi-Arabien aufgebrochen. Bei einem Telefongespräch aus Medina mit seiner Frau berichtete er, dass er am Flughafen weit ausführlicher als andere Mitreisende von saudischen Sicherheitsbeamten befragt worden sei. Am dritten Tag seines Aufenthalts in Mekka verließ er sein Hotel und kehrte nicht mehr zurück.

Während westliche Medien Amiri als einen wichtigen Atomspezialisten bezeichneten, der über das iranische Atomprogramm bestens informiert sei, erklärte seine Frau, er sei ein Physiker und an der Universität tätig. Mit Atomangelegenheiten habe er nichts zu tun. Demgegenüber hieß es im amtlichen englischsprachigen Press TV, Amiri habe an der Teheraner Malek-Aschtar-Universität gearbeitet. Diese wird jedoch von der UNO als ein Atomforschungszentrum bezeichnet, das unter der Kontrolle der Revolutionswächter steht.

Mottaki beschuldigt USA

Auch der iranische Außenminister Manutschehr Mottaki erklärte im vergangenen Herbst, Amiri sei kein Geheimnisträger. Er sei jemand, der sich, wie jeder andere iranische Staatsbürger auch, für die iranische Regierung einsetze. Doch gleichzeitig behauptete Mottaki, der Wissenschaftler sei in einer koordinierten Aktion zwischen saudischen Sicherheitsdiensten und US-Geheimdiensten gekidnappt worden.

Der Fall sorgte für zusätzlichem Ärger in den ohnehin schwer belasteten Beziehungen zwischen Teheran und Washington. Mottaki brachte diesen und ähnliche Fälle im Oktober bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Sprache und beschuldigte die USA, die Hand im Spiel zu haben. „Wir haben Dokumente gefunden, die belegen, dass die USA das Verschwinden Amiris beeinflusst haben“, sagte der Minister in einem Interview mit dem Fernsehsender al-Dschasira. Er beschwerte sich auch bei der saudischen Regierung und drohte, die jährlichen Pilgerreisen von zehntausenden Iranern nach Mekka einzustellen. Mehrmals demonstrierten Amiris Angehörige vor der saudischen Botschaft in Teheran.

Ähnliche Fälle

Die Brisanz des Falls erfuhr eine Zuspitzung, als wenige Monate nach dem Verschwinden Amiris die Existenz einer zweiten Anreicherungsanlage im Iran bekannt wurde. Iran bestritt den Zusammenhang. Das Land sei noch nicht zur Bekanntgabe der Anlage bei der Internationalen Atombehörde verpflichtet gewesen.

Ob Amiri tatsächlich entführt wurde oder freiwillig zu den Amerikanern übergelaufen ist, bleibt weiterhin ein Rätsel. Ähnliche Fälle aus der Vergangenheit sprechen eher für eine Mitwirkung ausländischer Geheimdienste. 2007 verschwand Ali Reza Asgari, ehemaliger Stellvertreter des Verteidigungsministers, aus einem Hotel in Istanbul. Er hält sich inzwischen in Israel auf. Der ehemalige iranische Botschafter in Jordanien, Nasollah Tadschik, wurde wegen angeblich illegaler Waffengeschäfte in London verhaftet. Mysteriös schien auch das Verschwinden des Iraners Ardebili vor zwei Jahren in Georgien.

BAHMAN NIRUMAND