Wirklich „nie wieder“?

1.357 Seiten zum NSU-Desaster ist der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses lang. Lehren daraus? In Duisburg bedrohen Rechtsextremisten Romaflüchtlinge, und die Polizei ist „auch zur Bekämpfung der Kleinkriminalität“ vor Ort

■ betr.: Ein nicht vorstellbares Versagen“, taz vom 22. 8. 13

Der NSU-Untersuchungsausschussabschlussbericht (schon das Wort!) ist fertig. 1.357 Seiten stark und mit 47 Empfehlungen gespickt. Das war’s? Keine personellen Konsequenzen? Keine Dienst- oder sonst welche Anweisungen an nachgelagerte Behörden oder Dienststellen? Wieso werden Menschen unter Aufsicht des Staats wegen eines angebissenen Brötchens fristlos entlassen und ihrer langfristigen Erwerbsexistenz beraubt? Alle sollten Beamte oder V-Leute werden. Dann kann man beruhigt Mist bauen. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

■ betr.: Ein nicht vorstellbares Versagen“, taz.de vom 22. 8. 13

Das Ergebnis ist, dass die Ermittlungsbehörden keine aktive Unterstützung geleistet haben. Der Rest ist vernichtend. Nämlich die Ursache des Versagens, die der NSU ein Jahrzehnt weitermorden ermöglichte, ist rassistisches Vorgehen, rassistisches Denken. Mit den Ursachen des Versagens ist zugleich der Beweis für den vorhandenen Rassismus bei den Ermittlungsbehörden erbracht. Ab diesem Zeitpunkt muss der Begründungszwang für den vorhandenen Rassismus umgekehrt werden. Dieser liegt nunmehr bei den Behörden. Würde jemand ernsthaft behaupten, die Ermittlungsbehörden würden „Versagen“, wenn die Getöteten Polizeibeamte oder Abgeordnete wären, wenn sie zu einer bestimmten Berufsgruppe wie Richter, Ärzte, Anwälte, Psychologen angehören würden? FEUERBOHNE, taz.de

■ betr.: Ein nicht vorstellbares Versagen“, taz.de vom 22. 8. 13

Eine Staatskrise ist wohl das Letzte, was die Staatsvertreter wollen. Aber ich frage mich und bin dabei nicht allein: Wenn der Staat dauerhaft wegsieht, eins und eins nicht zusammenziehen will oder kann, wenn Beweismittel verschwinden (zum Beispiel in der Asservatenkammer) oder komplett falsch interpretiert werden, wenn Politiker Order geben, nur in eine bestimmte Richtung zu ermitteln und Anschläge lediglich in einer bestimmten Weise zu bewerten, wenn falsche Fährten gelegt werden etc.: Ist dieses Verhalten nicht doch ein Billigen und Unterstützen einer Terrorgruppe? HORNITO, taz.de

■ betr.: Ein nicht vorstellbares Versagen“, taz.de vom 22. 8. 13

Wenn man einen Bock zum Gärtner macht, dann kann und darf da nichts anderes herauskommen! Warum fangen die nicht mit einer gründlichen Entnazifizierung der Polizei und der Justiz endlich wohl an? Weil Wahrheiten wehtun!

QUOTENMENSCH, taz.de

■ betr.: Ein nicht vorstellbares Versagen“, taz.de vom 22. 8. 13

„… am Ende steht ein gemeinsames Fazit, das mehr ist als ein Minimalkonsens“. Doch genau das ist der Minimalkonsens. Andernfalls hätte der Untersuchungsausschuss nämlich feststellen müssen, dass es eben keine „Ermittlungspannen“ waren, die den NSU weitermorden ließ, sondern Sympathisantentum und absichtliches Ausblenden des Offensichtlichen. Wenn nicht gar aktives Unterstützen. Aber so zahm, wie der Bericht nun ausgefallen ist, kann man ihn getrost in der Schublade verschwinden lassen. Hätte von der taz eine kritischere Einschätzung erwartet.

HARDY FUNK, taz.de

■ betr.: „Das Parlament lebt doch“, taz.de vom 22. 8. 13

„Nie wieder soll der Verfassungsschutz rechte Militanz verharmlosen; nie wieder soll die Polizei so vorurteilsbeladen ermitteln.“ Wie sieht das denn praktisch aus?

Handeln Innenminister und VF-Chefs von SPD und CDU nach dieser Maxime? Das Parlament hat im Ausschuss erlebt, wie wenig es wirklich konkret etwas bewirken kann. Das ist richtig.

Ob das in den Parteieneliten zu anderen Verhaltensweisen führt, bezweifele ich sehr stark. Das ist auch der Grund, warum ich den Tenor des Kommentars nicht teile. Idiotisches, vorurteilsbehaftetes Verhalten aus den Geheimdiensten kann man nicht kurz abschalten, es gibt dafür strukturelle Ursachen. Und ich zweifele daran, dass die Parteien dort echte Änderungen wünschen. V-Leute zum Beispiel. Man braucht wahrscheinlich nur fünf Prozent der Quellen, die momentan existieren. Für die restlichen 95 Prozent unnützer Quellen erfinden die Verfassungsschutzmitarbeiter Legenden und schmeißen die Akten mit sinnlosen Infos zu. Wer das ändern will, der muss sehr viel tiefer ausholen und den Verfassungsschutz auch gänzlich infrage stellen. NILS, taz.de

■ betr.: „Das Parlament lebt doch“, taz.de vom 22. 8. 13

„Nie wieder“ hab ich schon mal gehört. Viel ist davon nicht übrig geblieben. Warum man weiterhin an einem Verfassungsschutz festhält, der nicht nur unfähig, sondern auch kontraproduktiv (NPD-Verbot) ist, lässt sich doch rational gar nicht mehr nachvollziehen. Untersuchungsausschüsse, die am Ende ohne wirkliche Konsequenzen bleiben, bewirken immer nur eines: Politikverdrossenheit. Die geistige Brandstiftung der selbst ernannten „Mitte“ wird weitergehen. Sie ist letztlich auch mitverantwortlich für die NSU-Morde. RAINER B., taz.de

■ betr.: „Angst vor Lichtenhagen“, taz vom 23. 8. 13

Geht’s noch? Zeitgleich mit dem Abschlussbericht des Bundesuntersuchungsausschusses des Bundestags zu den NSU-Morden, der darauf hinweist, dass Polizei mehr Sensibilität für Rassismus und Rechtsextremismus brauche, verkündet der Duisburger Polizeisprecher, dass „nur wenige Roma integrationswillig“ seien. Zeitgleich mit Protesten und Drohungen rechter Aktivisten und Anwohner in Berlin-Hellersdorf weist besagter Polizeisprecher darauf hin, dass Polizisten eh mehrfach bei den von Rechten bedrohten Roma-Wohnungen „vor Ort seien zur Bekämpfung der Kleinkriminalität“ und dass die integrationsunwilligen Roma mit unserer Gesellschaft nicht klarkämen, „die müssen weg“. Geht’s noch? Ich finde, so was geht überhaupt nicht und darf auch nicht ohne Folgen bleiben. Wenn ein Polizeisprecher sich öffentlich so äußert, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich rechtsextremistische Ansichten in manchen Kreisen als gesellschaftsfähig etablieren und Anwohner sich nicht schämen – wie in Hellersdorf –, traumatisierte Flüchtlinge zu beschimpfen und zu bedrohen.

CORNELIA FRIESE, Tettnang

■ betr.: „Angst vor Lichtenhagen“, taz vom 23. 8. 13

Gerade wird das Ergebnis des NSU-Untersuchungsausschusses verbreitet und gelobt, vor allem die parteienübergreifende Einigkeit im Abschlussbericht. Da spielt sogar die CDU mit, obwohl unser Bundesinnenminister vor Kurzem mal wieder die hohe Flüchtlingsrate der Roma kritisch angemerkt hat, gerade mal zirka 4.000 Menschen; und danach lesen, sehen und hören wir Berichte/Artikel über den allgemeinen Rassismus und die Handlanger dieses Rassismus und deren Vorgehen.

Ich bin deshalb so entsetzt, dass der Sprecher des Polizeipräsidiums verteidigt, dass die Polizei nichts zur nächtlichen Sicherung des Flüchtlingsheimes in Duisburg unternimmt. Noch mehr aber hat mich die Aussage des Polizeisprechers auf die Palme gebracht, ich zitiere aus dem Artikel: „Selbst sozial Engagierte sagen doch, dass nur wenige Roma integrationswillig sind.“ Weiter: „Die anderen kommen mit unserer Gesellschaft nicht klar. Die müssen weg.“

Welche rechtsextreme Einstellung steckt hinter diesen Aussagen eines hohen Polizeibeamten, der doch angeblich unsere Demokratie vertreten soll? So ein rechtsextremes Gedankengut wird in einer Polizei geduldet. Wo bleibt da das Extremistengesetz, das allem Anschein nach nur für linke politische Einstellungen Geltung hat.

Weiter berichten Sie auch, wie sozial engagierte Nachbarn und Antirassisten versuchen, einen Schutz für die Flüchtlinge in diesem Wohnblock aufrechtzuerhalten. Diesen Menschen zolle ich Respekt und Hochachtung.

ALBERT WAGNER, Bochum

■ betr.: „Zu Gast bei Feinden“, taz vom 21. 8. 13

Es ist erschütternd, was sich in Berlin und anderen Orten abspielt. Grundsätzlich fänden wir es sinnvoll, wenn Flüchtlinge/Asylsuchende als Untermieter beziehungsweise Mitmieter ganz normal zwischen und mit uns in der Gemeinde untergebracht leben dürften.

Wer vor 1945 und danach bis zum Mauerbau hat flüchten müssen, ist wohl etwas mehr sensibilisiert für die Not und Situation von Flüchtlingen. Damals wie heute werden leider übergangsweise Notaufnahmeheime benötigt, weil so schnell nicht genügend private Wohnangebote zur Verfügung stehen. Gegen solche Heime zu protestieren zeugt von fehlender Menschlichkeit. Wir haben bei uns in den letzten fast 40 Jahren Menschen aus unterschiedlichsten Ländern, aus Afrika, Argentinien, Rumänien, China und Jugoslawien aufgenommen. Da sie oft noch kein Wort Deutsch verstanden klebten wir gegebenenfalls Zettel mit den Namen an die Gegenstände: Tasse, Teller, Ofen, Schrank, Stuhl usw. So und im Kontakt lernten sie zügig unsere Sprache. Den Betroffenen war es eine Hilfe und für uns immer eine kulturelle Bereicherung. Wir können unsere Mitbürger nur ermuntern, Flüchtlinge aufzunehmen, damit diese nicht übermäßig lange in den Heimen verbleiben müssen. Das ist nicht nur menschlich, sondern hilft auch, Abstand von erlittenen Traumata, die oft auch therapeutische Hilfe erfordern, zu bekommen. ELISABETH und BERTHOLD NOESKE, Freiburg