Komplizierte Wege zur Gratis-Kita

GEW beklatscht Vorschlag, Erziehungsgeld in kostenlose Kita umzuwandeln. DIW nicht

BERLIN taz ■ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befürwortet den Vorschlag aus der Bundesregierung, Kindergärten künftig kostenfrei zu gestalten. Norbert Hocke, Vorstandsmitglied der GEW, forderte im Gespräch mit der taz, das nötige Geld zielsicher an die Kommunen zu transferieren. „Den Reden müssen endlich Taten folgen“, sagte Hocke angesichts des inzwischen dritten Vorstoßes zur Gratis-Kita in zwei Jahren. Die Bundesregierung sollte sich mit Ländern und Kommunen zusammensetzen „und endlich mal zu Potte kommen“.

Hocke unterstützte auch die Methode des Finanzministers. Es müsse mehr Geld in die Kindergärten gesteckt werden, anstatt es den Familien direkt auszuzahlen, sagte er der taz. Er plädiert dafür, eine Familienkasse wie in Frankreich einzurichten. Darin werden alle familienbezogenen Leistungen wie Kindergeld, Bafög und Ehegattensplitting gebündelt. „Das muss auch hier zusammengelegt werden, weil die Effekte im Vergleich mit europäischen Ländern schlecht sind“, erklärte Hocke.

Deutschland investiere jährlich 100 bis 150 Milliarden Euro in Familien. Dennoch seien die damit verfolgten Ziele nicht erreicht worden, etwa die Verringerung der Familienarmut, der Zugang zu Bildung oder die Integration von Randgruppen. In erfolgreicheren Ländern wie Skandinavien oder Frankreich werden 60 Prozent der Finanzleistungen an Institutionen ausgezahlt und nur 40 Prozent direkt an die Familien – in Deutschland sei es genau umgekehrt, kritisierte Hocke. So könne man aber die Problemgruppen nicht erreichen. Daher solle das Geld besser direkt in die Kindergärten fließen, dann komme es direkt der Bildung der Kinder zu gute.

Die gebührenfreien Kindergärten sieht Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisch: „Wenn die Kita-Gebühren abgeschafft werden, profitieren nur die Eltern, die einen Platz haben – die Warteschlange profitiert nicht.“ Eltern auf der Warteliste hätten bei Steinbrücks Idee Pech gehabt – weil sie hinterher weder einen Kitaplatz noch das volle Kindergeld hätten. Somit finde eine Umverteilung von Kindergeldempfängern zu wenigen Kitaplatzbesitzern statt. Wrohlich plädiert dafür, öffentliche Gelder in den Ausbau von Kindergärten zu stecken. Denn Plätze für unter Dreijährige und Ganztagsbetreuung seien rar.

SARAH STEFFEN

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