Niemand wäscht weißer

„Klementine“, die Wasch-Expertin, ist nicht nur die älteste deutsche Werbe-Ikone. Sie gehört zu einer der letzten Werbefiguren, die durch das Produkt bekannt wurden. Heute werben Promis für Produkte

VON MARTIN REICHERT

Am Montag wird Johanna König, alias „Klementine“ von Ariel, 85 Jahre alt! Auch 38 Jahre nach ihrem ersten Auftritt als Wäschefee ist sie immer noch eine Werbe-Ikone, war bereits zu Gast im Bonner Haus der Geschichte, hat einen festen Ehrenplatz im Deutschen Werbemuseum. Dort gehört sie auch hin, denn die Zeiten, in denen am Flip-Chart entworfene Werbepersönlichkeiten Dinge des alltäglichen Konsumbedarfs anpreisen – wir erinnern uns an Frau Sommer von Jacobs, Frau Antje aus Holland und Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer –, sind längst vorbei. Sie sind Geschichte und damit nur noch Verschiebemasse im großen Güterbahnhof der Retro-Kultur, gelegentlich augenzwinkernd eingesetzte Wiedergänger aus den Wohlstandsjahren der Bundesrepublik. Frau Antje mit Joint im Mund.

Längst haben sogenannte „Celebrities“ den Job übernommen, Persönlichkeiten, die für ein Produkt werben: Mal beißt Heidi Klum in einen Burger, mal klemmt sie sich Joghurt-Kaubonbons zwischen die Zehen – genauso gut könnte sie für ein Anti-Candidas-Produkt werben, es spielt eigentlich keine Rolle. Eine zwangsläufige, inhaltliche Verbindung zwischen Produkt und Werbepate scheint nicht mehr nötig zu sein.

Patente Wäschersfrau

Bei „Klementine“ war das noch ganz anders. Die Rolle als patente Wäschersfrau im coolen Lesben-Look – vom Role-Model her eigentlich gar nicht so frauenfeindlich ausgelegt wie oft unterstellt – hängt ihr bis heute an, noch immer wird sie auf der Straße darauf angesprochen.

So manche ernsthafte Rolle wurde der Schauspielerin aufgrund ihres Images abgesprochen. So wollte sie Hans Werner Geißendörfer ursprünglich für die Verfilmung des „Zauberbergs“ haben. Am Ende mochte man dann doch nicht, dass höchstes deutsches Kulturgut mit einem Waschmittel in Verbindung gebracht werden könnte. Trotzdem die tatsächliche Persönlichkeit der Johanna König im direkten Pooth-Vergleich ziemlich aussagekräftig ist – bereits mit neun Jahren stand sie im Kinderballett auf der Bühne und wurde später als Tänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin zum Star in Varietéprogrammen und Revuen –, konnte sie sich nicht gegen die offensichtlich blendende Strahlkraft des von ihr beworbenen Produktes durchsetzen.

Der für den Konsumenten erkennbare Fortschritt dieser tektonischen Verschiebung im Werbebereich besteht darin, dass nur noch die Prominenten wichtig sind, das Produkt hingegen völlig belanglos: Ach guck mal, der Biolek ist mal wieder im Fernsehen. Was er da unter dem Arm spazieren trägt, interessiert gar nicht. Und da man Biolek nicht kaufen kann, vermüllt er einem auch nicht die Wohnung.

Weitaus tragischer als die Lebensgeschichte von „Klementine“ Johanna König – immerhin erinnert man sich ihrer – ist das Schicksal von Claudia Bertani, der strengen Kirschkosterin von Ferreri, Gralshüterin der sogenannten „Piemont“-Kirsche, die nach Firmenangabe zur Herstellung von Deutschlands beliebtester Praline verwendet wird: Mon Chéri. Die diplomierte Kirschexpertin mit der Aura einer Bielefelder Ökotrophologin ist wie vom Erdboden verschluckt, stattdessen hat Ferrero ein laszives Obst-Luder losgeschickt, um den sexy verschwitzten Model-Plantagenbauern des Piemont auf die Finger zu schauen. Die richtige Frau Bertani würde der unschuldigen Frucht mit Messgeräten auf den prallen Leib gerückt sein, das Luder treibt stattdessen ihre Zähne hinein und leckt sich die grell geschminkten Lippen.

Personality oder Produkt

Die mit der Likör-Pralinen-Bewerbung beauftragten Werbemenschen stellen alles auf den Kopf. In den späten Siebzigern bereits, Hochzeit der Produktpersönlichkeiten, fragten die Regio-Celebrities Nadja Tiller und Gitte Haenning Piemont-Kirschen essend: „Wer kann dazu schon nein sagen?“

Aber daran kann sich niemand mehr erinnern, genauso wenig wie an die richtige Claudia Bertani, die völlig leer ausgegangen ist. Im Internet sind nicht einmal mehr Fotos von ihr zu finden, sie liegt begraben auf alten Videobändern, die niemand jemals digitalisieren wird.

„Klementine“ hat von ihrem Arbeitgeber Procter & Gamble zumindest einen Vertrag auf Lebenszeit bekommen. Sie tritt zwar nicht mehr im Fernsehen als „Waschfrau der Nation“ auf, steht aber für PR-Auftritte und Talkshows zur Verfügung. Ihre Rente ist zumindest sicher.