De Villepin ohne Kündigungsschutz

Um seine Haut zu retten, verhandelt Frankreichs Premier mit den Gewerkschaften. Aber nachgeben will er nicht

PARIS taz ■ Mehr als vier Wochen Demonstrationen, Blockaden und Streiks hat es gedauert, bis Frankreichs Regierungschef Dominique de Villepin bereit war, die fünf nationalen Gewerkschaftsverbände einzuladen, um mit ihnen über den Contrat Première Embauche (CPE) zu sprechen – den „ersten Arbeitsvertrag“, der eine zweijährige Probezeit für unter 26-Jährige vorsieht, inklusive täglicher Kündbarkeit ohne Angabe von Gründen. Das hart erkämpfte Rendezvous in de Villepins Amtssitz Matignon, das gestern am späten Nachmittag begann, hat jedoch keine Bewegung in den Streit gebracht: Wie der Vorsitzende der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, im Anschluss mitteilte, lehnt Villepin eine Rücknahme des CPE weiterhin ab – obwohl die Gewerkschaften dies als Voraussetzung für weitere Verhandlungen gefordert hatten. Ein neuer Gesprächstermin wurde nicht angesetzt.

Allerdings ist es für weitere Gespräche höchste Zeit: 67 von 84 Universitäten in Frankreich sind blockiert und 1.014 von 4.330 Gymnasien. An jüngsten Demonstrationen am Donnerstag nahmen laut Polizei landesweit 250.000 Menschen teil, nach studentischen Angaben 450.000. Vor diesem Hintergrund ließen sich die Gespräche schwierig an. „Der CPE ist tot“, titelte gestern bereits das große Boulevardblatt Le Parisien. Maryse Dumas, Sprecherin der Gewerkschaft CGT, fasste gestern Mittag nach einem Vorbereitungstreffen französischer Gewerkschaften und studentischer Gruppen die unveränderte gemeinsame Linie gegenüber dem Premierminister so zusammen: „Erst muss der CPE zurückgezogen werden. Dann verhandeln wir über Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit.“

An dem für nächsten Dienstag geplanten nationalen Aktionstag halten die Gewerkschaften fest. Der Streik könnte groß werden. 66 Prozent der FranzösInnen sprechen sich in Umfragen gegen den CPE aus. Das liegt nicht nur daran, dass jedeR Jugendliche kennt, die potenziell betroffen sind. Sondern auch daran, dass der CPE nur eine Generalprobe ist. Im Hintergrund lauert der vom Unternehmerverband gewünschte „einheitliche Arbeitsvertrag“ für alle. Der sieht die Ausweitung der Aushöhlung des Kündigungsschutzes auf sämtliche Altersgruppen vor.

Bis kurz vor seiner Einladung hatte der Premierminister noch eine militärische Sprache benutzt, um Verhandlungen abzulehnen. Er lehnte eine „Kapitulation“ ab. Begründung: „Das werden unsere Wähler nicht verstehen.“ Unterdessen wird im eigenen Lager die Kritik lauter, auch seine zahlreichen Versuche, die Jugendbewegung zu diskreditieren, sind fehlgeschlagen. Stattdessen wurde bislang jede Demonstration größer als die vorangegangene. DOROTHEA HAHN