„Parteien sind unsexy“

DISKUSSION Wie es in „sozial schwachen“ Milieus um Teilhabe und politisches Engagement bestellt ist

■ 31, Mitautorin der Studie „Entbehrliche der Bürgergesellschaft?“, arbeitet am Göttinger Institut für Demokratieforschung.

taz: Frau Klatt, was ist ein Wutbürger?

Johanna Klatt: Jemand, der wütend ist, weil er sich von der Politik missachtet fühlt. Dagegen will er etwas unternehmen. Es sind meist ressourcenstarke Persönlichkeiten.

Und die „ressourcenschwächeren“ sind nicht wütend?

In meiner Studie zu den Zugängen und Barrieren gesellschaftlicher Teilhabe von sozial Schwächeren konnte ich zeigen, dass sich die Welt für sie anders darstellt als für unsereins mit beispielsweise akademischem Abschluss.

Das klingt abstrakt – und banal.

Wichtig sind ja auch die Ursachen und Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.

Nämlich?

Besonders wichtig für die politische Praxis sind soziale Netzwerke. Jemand, der in dieser Gesellschaft keiner Lohnarbeit nachgeht, fühlt sich oft ausgeschlossen. Und neben der Arbeit weitet auch der eigene Bildungsgrad soziale Netzwerke aus. Ein breites Netzwerk wiederum vermittelt das Gefühl und auch die reale Möglichkeit, mit eigenen Meinungen und Interessen gemeinsam etwas erreichen zu können.

Ursachen fehlender Partizipation sind also wenig Bildung und keine Arbeit. Und jetzt?

Menschen aus sozial schwachen Schichten haben natürlich auch politische Meinungen und Interessen – zu Asylfragen, Mobbing, Spielplätzen in der Umgebung. Weniger zu Fragen, die sich in Berlin oder Brüssel abspielen und nichts mit dem eigenen Stadtteil zu tun haben. Community organizing ist ein sinnvolles Konzept, bei dem versucht wird, allgemeine Entwicklungen auf den eigenen Erfahrungskreis herunterzubrechen.

Was für allgemeine Entwicklungen?

Zum Beispiel Gentrification. Wir verteilen Magazine an Haupt- und Realschullehrer, geben darin Tipps, wie man sich diesem Thema widmen könnte. Der Wunsch ist dabei eine Selbstorganisierung der sozial Schwachen. P-Begriffe – Politik, Parlamente und Parteien – sind in sozial schwachen Schichten dermaßen unsexy. Wir versuchen, diese Worte darum zu umschiffen.  INTERVIEW: CABI

Johanna Klatt diskutiert mit Manuel Rakers (Diakonisches Werk), Rafiwu Salami (Muslimischer Familienverein) und Gerd Horn (Kinderbauernhof Kirchdorf): 19 Uhr, Hamburger Botschaft, Sternstraße 67