Hamburger Szenen
: Ottensen ist nicht Turkmenistan

Warum sollte für Ottensen gelten, was für Turkmenistan gilt? Dort hat nur ein Fünftel der Bevölkerung Zugang zu fließendem Wasser, dennoch – oder gerade deshalb – fordert der Präsident kostenloses Wasser für alle Turkmenen. Denn: „Wasser ist von Gott gegeben“. Dieser Ansicht kann sich ein Bistro in Ottensen mit dem schönen Namen „Glashaus“ nicht anschließen.

Das „Glashaus“ ist kein Ort für die Heimatlosen und Entrechteten, dazu sind die Schürzen der Kellnerinnen zu adrett und die roten Sitzgarnituren zu sehr dem Geist der 50er verpflichtet. Nicht verpflichtet sieht man sich zur kostenlosen Leitungswasserausgabe. „Wenn Sie Leitungswasser bestellen“, so steht in der Karte, „erlauben wir uns ein Bedienungsgeld von 50 Cent“.

Vielleicht haben sich trotz 50er-Jahre-Schick zu viele Mittellose in Glashaus gewagt. Vielleicht auch die Verlierer der New Economy. Sicher ist, dass zu viele von ihnen Leitungswasser bestellten und dann stundenlang in die Betrachtung des Glases vertieft am Tisch verharrten. So zumindest erklärt die blonde, schmallippige Kellnerin die Anordnungen. „Uns kostet das Wasser schließlich auch etwas“, sagt sie und zeigt damit eine Anteilnahme an den Ausgaben des „Glashauses“, die ihren Chefs sicher gut gefallen hätte. Müßig, dann mit Barmherzigkeit und Turkmenistan zu kommen. Schließlich sei das Leitungswasser bei Medikamenten-Einnahme, so die Bistro-Chefs voller Entgegenkommen, „natürlich kostenlos“. Friederike Gräff