Deutscher Schulterschluss mit Alliierten

BERLIN taz | Dass ein Politiker mitten im Wahlkampf dafür wirbt, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, ist sehr ungewöhnlich. Doch genau das hat Peer Steinbrück jetzt getan. Bisher seien nur 4.500 Syrer nach Deutschland gekommen, rechnete der SPD-Kanzlerkandidat in der Stuttgarter Zeitung vor, während die Nachbarländer Syriens inzwischen mehr als eine Million Menschen aufgenommen haben. „Angesichts solcher Zahlen von einer Überforderung Deutschlands zu schwadronieren ist absolut unangemessen“, setzte er noch einen Seitenhieb auf Innenminister Friedrich (CSU) hinzu.

Doch andererseits fällt es der SPD schwer, sich mit Blick auf Syrien von der Bundesregierung abzusetzen. Sozialdemokraten und Grüne warnen lautstark vor einem Militäreinsatz, wollen ihn aber auch nicht komplett ausschließen. Erst einmal müsse man jedoch das Ergebnis der UN-Inspektion abwarten, dann bräuchte es eine UN-Resolution, so lautet ihre Haltung. „Vielleicht ergibt sich durch den Chemiewaffeneinsatz auch für Moskau eine neue Lage“, sagte Steinbrück am Mittwoch. SPD-Parteichef Gabriel forderte Merkel dazu auf, nach Moskau zu reisen, um Wladimir Putin von seiner Unterstützung Assads abzubringen.

Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heißen einen von den USA geführten Militäreinsatz im Prinzip nicht gut, wollen das aber der Bündnistreue wegen nicht mehr ganz so klar sagen. Sie möchten vermeiden, wie im Libyenkrieg als Neinsager in einer Ecke mit Russland und China dazustehen. Deshalb betonen sie, der mutmaßliche Giftgasangriff müsse „Konsequenzen“ haben – ohne zu sagen, wie diese aussehen könnten. Deutlich wird nur, dass Deutschland diesmal nicht abseits stehen will, wenn die Verbündeten zuschlagen. Darum betonen sie die „enge Abstimmung“ mit London und Washington.

Aber auch die Bundesregierung hofft, dass es im UN-Sicherheitsrat zu einer gemeinsamen Haltung kommt. Regierungssprecher Seibert sagte am Mittwoch, man begrüße die Initiative der britischen Regierung, die bereits eine Resolution formuliert habe. Wie sich Deutschland verhält, wenn sich der UN-Sicherheitsrat – wie zu erwarten ist – nicht zu einer gemeinsamen Position durchringen kann, darauf wollte er jedoch keine Antwort geben. „Ich bewerte keine hypothetischen Abläufe“, gab er sich zugeknöpft.

Aus Regierungskreisen wurde dem Schulterschluss mit den westlichen Alliierten dafür schon mal rhetorisch der Boden bereitet. Am Mittwoch erklärten Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) und Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, unisono, ein Militärschlag gegen das Regime sei auch ohne UN-Mandat legitim, weil durch den Einsatz von Giftgas eine neue Situation gegeben sei.

Dass sich die Bundeswehr aktiv an einer Militäroperation beteiligt, ist aber so gut wie ausgeschlossen. DANIEL BAX