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Das Vermächtnis der Besessenen

Die Dokumentation des Bremer Weltspiels erklärt, wie Kulturpolitik aussehen sollte

„Wer bist du und wo willst du hin, Bremen?“ Vom Herbst 2004 bis zum Winter 2006 betrieb das Bremer Weltspiel unter dieser Fragestellung eine transkulturelle Nabelschau. Mit einer Dokumentation ziehen die VeranstalterInnen jetzt Bilanz.

Als Projekt der Kulturhauptstadt-Bewerbung gestartet, wandte sich das Weltspiel nach deren Scheitern nach innen, versuchte eine Standortbestimmung Bremens mit ausländischen Partnern. 16 Projekte aus über 250 Bewerbungen wurden realisiert. Weltspiel-Leiterin Ulrike Osten lobt das Stadtimmigranten-Orchester als das nachhaltigste: Mittlerweile ist eine CD produziert, das Orchester europaweit auf Tournee. Die „City of Dreams“ des Londoner Künstlers Peter Reder schuf ein Bremen-Bild in Geräuschen und Fundstücken. Beim „Kneipen Portal“ machte die Webcam-Liveschaltung zwischen Walle und Danzig einen städtepartnerschaftlichen Austausch fern von Politikerrhetorik möglich.

Der Band im straßenbahnfreundlichen Format, worauf Kulturhauptstadtbewerbungs-Mastermind Martin Heller eigens hinweist, rekapituliert jedes Projekt lesbar und liebevoll. In kurzen Statements erklären die Macher im Anschluss ihre Prinzipien, womit sie das Weltspiel als „zeitgemäßes Modell der Kulturförderung“ empfehlen wollen: eine klare Themenvorgabe, schnelle und unbürokratische Umsetzung der ausgewählten Projekte, individuell begründete Absagen an die übrigen BewerberInnen. Statt zu Projektbeginn das Geld zu überweisen und am Schluss einen Bericht zu fordern, setzte Ulrike Osten auf ein kontinuierliches „Coaching“ der Kulturschaffenden. Dabei gehe es nicht darum, künstlerische Freiheit zu beschneiden, sondern etwa die Ich-AG-Künstlerin bei der Öffentlichkeitsarbeit für ihr erstes Großprojekt zu unterstützten. Dem Londoner Performer zu erklären, wie Deutsche ticken. Dem Stadtimmigranten-Orchester zur Unbescheidenheit und dem Auftritt in der etablierten „Glocke“ zu raten.

Schließlich gibt es einen Denkzettel für die Kulturpolitik: Statt Sparauflagen fordern die Weltspiel-MacherInnen eine konzeptionelle Debatte über Kultur, begrüßen den Masterplan als Schritt in diese Richtung. Die angeblichen Alternativen „Brot“ der Institutionenförderung und „Butter“ der Projektförderung beschreibt Heller als zwei Seiten der gleichen Medaille. Zum Schluss taucht er noch einmal auf, Hellers Bewerbungs-Slogan von den „Brutstätten und Besessenen“, die Bremen auch weiterhin nötig hat. abe

Martin Heller, Lutz Liffers, Ulrike Osten: Bremer Weltspiel. Stadt und Kultur. Ein Modell. transcript Verlag, 22,80 Euro

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