EIN HANDYVERBOT AN SCHULEN DRÜCKT NUR HILFLOSIGKEIT AUS
: Im Schatten bayerischen Bildungsstolzes

Bayerische Polizisten durchforsten hunderte Schülerhandys nach verbotenen Pornos und Gewaltvideos. Das wirkt wie staatliche Unterdrückung. Aber es ist richtig, dass ein Schulleiter die Polizei geholt hat. Die Durchsuchungen bedeuten ein sinnvolles Alarmsignal.

Denn die Aktion lenkt die Aufmerksamkeit auf ein bislang unterschätztes Problem. Die perversen Videos sind ein Mittel, mit dem manche Schüler Tag für Tag um Ansehen und Geltung kämpfen. Wer die krassesten Szenen hat, ist cool. Aber auch wer zu Drogen greift oder schwächere Mitschüler mobbt, ist cool. Die Ursachen sind dieselben: Immer mehr Schüler kommen nicht mehr mit dem Leistungsdruck und einem oft schwierigen Elternhaus zurecht. Sie verlassen die gesetzlichen und gesellschaftlichen Normen, um ihren Status aufzubessern. Jeder dritte Schüler in Deutschland hat Angst vor dem Schulbesuch, egal ob Hauptschüler oder Gymnasiast.

Deshalb ist es vielleicht gar nicht schlecht, dass wir die Videos qua Digitaltechnik nie wieder loswerden. Politiker, Schüler und Lehrer müssen den Umgang mit solchem Material lernen – und damit, was sich in ihnen ausdrückt. Dafür braucht es mehr Pädagogen und Fachleute, die sich mit allen Facetten innerschulischer Gewalt beschäftigen. Allerdings hat nicht jeder Schüler, der ein solches Video anschaut, einen Knacks. Horrorvideos und Pornoheftchen gab es auch schon früher.

Aber gerade für die Bayern sind die Polizeirazzien der ernüchternde Beweis, dass auch der Freistaat Probleme hat. Dass es trotz – oder gerade wegen – guter Platzierungen bei den Leistungstests Pisa und Iglu auch hier Schüler gibt, die sich mittels medialer oder tatsächlicher Gewalt profilieren müssen, verweist auf den Schatten des bayerischen Bildungsstolzes. Und so wirkt die Forderung von CSU-General Markus Söder nach einem schnöden Handyverbot an Schulen wie eine feige Flucht – nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Doch so einfach lassen sich Schüler heutzutage nicht auf das strahlende weiß-blaue Image polieren. MAX HÄGLER