Kein Platz für Nicht-Muslime in Algerien

Ein neues Gesetz soll die Abkehr vom Islam bestrafen. Das betrifft vor allem berberische Christen in der Kabylei

MADRID taz ■ Ein neues Gesetz soll verhindern, dass algerische Bürger die islamische Staatsreligion verlassen und sich einem anderen Glauben zuwenden. Das Werk, das vor einer Woche von beiden Kammern des algerischen Parlaments verabschiedet wurde, wartet noch auf seine Veröffentlichung. Sobald es gültig ist, muss, „wer einen Muslim anstiftet, zwingt oder dazu verführt, zu einer anderen Religion überzutreten“, mit Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren sowie mit Geldstrafen zwischen umgerechnet 5.000 und 10.000 Euro rechnen. Das Gleiche gilt für all diejenigen, die Dokumente, „egal in welcher Form, herstellen, verteilen oder lagern, die zum Ziele haben, den muslimischen Glauben auszuhöhlen“. Außerdem wird jede religiöse Praxis, mit Ausnahme der muslimischen, „außerhalb der dafür vorgesehenen Gebäude“ verboten.

Die Maßnahme richtet sich hauptsächlich gegen Muslime, die zum Christentum übertreten. Vor allem in der östlich der Hauptstadt Algier gelegenen Kabylei, Heimat der Berberminderheit, konvertieren immer häufiger Menschen. Dort sind protestantische Missionare besonders aktiv. Die Bevölkerung der Kabylei steht seit Jahrzehnten mit der arabo-islamischen Staatsdoktrin auf Kriegsfuß und besinnt sich auf die eigene Sprache und Kultur. Diese nationalistische Renaissance rückt auch den christlichen Glauben wieder ins Bewusstsein vieler Berber. Schließlich war die Kabylei bis zum 8. Jahrhundert eine der Regionen des damaligen Römischen Reiches, in dem die Bibel Anhänger fand. Die Zwangsislamisierung und Zwangsarabisierung bereitete dem ein Ende. Doch auch in den 130 Jahren der französischen Kolonialherrschaft schlossen sich hier besonders viele Menschen dem Christentum an.

Die heutigen neuen Christen versammeln sich hauptsächlich in sogenannten „Hauskirchen“. Sie beten und studieren die Bibel im Wohnzimmer von Glaubensgenossen. Die Kirchen unterstehen dem Vatikan. Dieser hat laut offiziellen Angaben 110 Priester und 170 Nonnen in Algerien. Sie kümmern sich ausschließlich um europäische Christen und um christliche Einwanderer aus Schwarzafrika. Missionarsarbeit betreiben sie nicht mehr. Sie setzen auf die Verständigung beider großen Weltreligionen.

Bei der Presse des Landes stößt das neue Gesetz auf breite Zustimmung. Selbst weltlich eingestellte Medien sprechen von „der Gefahr der Evangelisation“. Was in der Kabylei geschieht, sei das „Ergebnis eines organisierten und finanzierten Bekehrungseifers mit einer Strategie zur Evangelisierung des muslimischen Volkes“, heißt es zum Beispiel in der französischsprachigen Tageszeitung El Watan. Die meisten Missionare kämen aus den USA. Sie würden den Übergetretenen umgerechnet 20 Euro bezahlen. Aber auch Europa würde die Strategie unterstützen. So sei es für die Neu-Christen leichter, ein Schengen-Visum zu bekommen. Die Zeitung Le Soir vermutet hinter der Evangelisierung Israel. „Diese zionistischen Christen stellen eine genauso große Gefahr dar wie der radikale Islamismus“, heißt es dort. REINER WANDLER