Darf’s denn auch ein bisschen mehr sein?

BRANCHENTREFF Über Musik sprechen und die Musik auch hören – dazu hat man reichlich Gelegenheit bei der Berlin Music Week

■ Das Word! -Programm der Berlin Music Week mit Konferenzen und Panels findet am 5../6. September im Postbahnhof statt. 45 Euro, für Studenten 30 Euro. Registrierung unter word.berlin-music-week.de.

■ Das „First We Take Berlin“-Festival bietet am 4./5. September im Bi Nuu, Astra, Comet, Lido und einigen weiteren Orten etwa 100 Bands der unterschiedlichster Stilrichtungen, unter anderem Die Orsons, Dirty Honkers, Kid Karate, Fuck Art, Let’s Dance, McFitti, Sohn, The/Das. Festivalticket 15 Euro. Kann man buchen unter firstwetakeberlin.de.

■ Etwas bekanntere Namen findet man mit Björk, Casper, My Bloody Valentine, Blur oder den Pet Shop Boys beim Berlin Festival, am 6./7. September im Flughafen Tempelhof mit Club-Nachspiel in der Arena. Festivalticket 79 Euro, Tagesticket 59 Euro. berlinfestival.de

■ Und sonst? Findet sich auf berlin-music-week.de/de/events (jut)

VON JENS UTHOFF

Bei den großen Berliner Musikveranstaltungen und Festivals ist es mitunter nicht leicht, den Überblick zu behalten – die Transmediale und das CTM-Festival etwa lassen da grüßen. Ähnlich verhält es sich beim Programm der am kommenden Mittwoch beginnenden Berlin Music Week: Man sieht sich während des fünf Tage andauernden Festivals fröhlich einer groben Unübersichtlichkeit und einem Overkill ausgesetzt.

Aber das kann und muss natürlich so sein. Die Berlin Music Week ist neben dem C/O Pop in Köln und dem Reeperbahn Campus in Hamburg das wichtigste und größte Treffen der Musikbranche in Deutschland. Labels, Vertriebe, Produzenten, Medien, Multiplikatoren und nicht zuletzt Musiker kommen zusammen, um zum einen die Entwicklungen der nach Jahren des Abschwungs derzeit genesenden Musikwirtschaft zu diskutieren – und um zu feiern.

Dabei wird das seit 2010 in dieser Form stattfindende Festival ständig modifiziert und erweitert. Während etwa in den ersten beiden Jahren die – nun so nicht mehr existente – Popkomm Bestandteil des Programms war, wird das Treffen, an dem über 100 Unternehmen beteiligt sind, jetzt unter dem programmatischen Titel „Word!“ gefasst.

Innerhalb der etwa 100 Veranstaltungen, Panels und Diskussionen im Postbahnhof werden die dringlichsten Zukunftsfragen gestellt: Digitale Verkäufe und Streamings von Musikprodukten, Verwertungs- und Urheberrechte und der Stand im Gema-Streit, die Nutzung von Social Media, Crowdfunding als Finanzierungsmodell. „Den Begriff Messe vermeiden wir“, sagt Tommy Nick, Pressesprecher der Berlin Music Week, „wir sehen es eher als Networking-Plattform.“

Ein besonderes Augenmerk gilt dem Musikstandort Berlin: Die Clubcommission Berlin, die Musikbeauftrage des Landes Berlin Katja Lucker sowie Christophe Knoch von der Koalition der Freien Szene werden etwa in einem Panel über die Szene-Freiräume in der Berliner Stadtentwicklung sprechen – und die Veranstaltung sicher nutzen, um an ihre Forderungen finanzieller Aufstockungen an den Kultursenat zu erinnern. In der Musikbranche sind in Berlin insgesamt 12.000 Menschen beschäftigt, der Umsatz an der Spree beträgt etwa 600 Millionen Euro. Der Senat fördert die Berlin Music Week mit 700.000 Euro.

Neu in diesem Jahr sind die Indie Days und Indie Awards, beide vom Verband unabhängiger Musikunternehmen ins Leben gerufen, die auch im Postbahnhof stattfinden. Wie sich etwa bei der Buchmesse die unabhängigen Verlage zusammengeschlossen haben, kooperieren nun auch in der Musikbranche die Independent-Labels, um sich über den Stand der Musikverlage ohne große Konzerne im Rücken auszutauschen. „Die Major Labels spielen ohnehin nicht mehr so eine ganz große Rolle in der Branche“, meint Pressesprecher Nick.

Mit das wichtigste und größte Treffen der Musikbranche in Deutschland

Damit spielt Nick wohl auf die Entwicklung in den USA an – dort legen die Indies im Vergleich zu den drei großen Major-Labels (Warner, Universal, Sony) derzeit zu. Dennoch wird bei der Berlin Music Week weiter generell auch über die Tendenz zum Oligopol diskutiert, denn alles in allem beherrschen die großen Labels mit etwa 80 Prozent Marktanteil den Markt immer noch.

Dem in fünf Kategorien (Album, Experiment, Label, Act, Newcomer) verliehenen Indie Award ist zu wünschen, dass er sich etabliert. Die Aufmerksamkeit wird hier auf Acts und Labels gelenkt, die im Verborgenen Großes leisten und überwiegend an der deutschen Öffentlichkeit vorbeigehen. Zum Beispiel sind das Bochumer Avantgardelabel Denovali Records oder die Mülheimer Jazz-Apokalyptiker von Bohren und der Club Of Gore auf der Experimental-Nominiertenliste zu finden – Projekte, die allen Ruhm verdienen, bisher aber eher nur einen Szenen-Status genießen.

Der musikalische Teil findet zum Großteil beim erstmals unter diesem Namen stattfindenden „First We Take Berlin“-Festival und beim Berlin Festival statt (siehe Kasten). Das Berlin Festival wird dann sicher die meisten Zuschauer anziehen – im vergangenen Jahr waren es 20.000 Menschen. Wie auch bei der Berlin Music Week wuchs der Publikumszuspruch des auf neun verschiedenen Bühnen stattfindenden Festivals von Jahr zu Jahr.