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Bei der Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr soll mit neuen Titeln erst mal Schluss sein. Dafür blühen Verkaufsgerüchte

Der schönste Tag im Leben von Gruner + Jahr war das gestern kaum. Auch wenn die Verlagsgruppe (Stern, Brigitte, Geo) gute Zahlen für das Geschäftsjahr 2005 präsentieren konnte: Zum ersten Mal seit vier Jahren stieg der Umsatz auf aktuell 2,62 Milliarden Euro – und auch die Umsatzrendite beträgt jetzt ansehnliche 9,5 Prozent. Trotzdem: Der schönste Tag im Leben von G + J muss der gewesen sein, an dem Zeitschriftenvorstand Bernd Buchholz den „Neugründungswettbewerb Redaktionelle Ideen-Olympiade (RIO)“ vorstellte. In Erinnerung daran leuchteten die Augen von G + J-Chef Bernd Kundrun hell. So hell, dass man Berichten, der RIO-Auftritt habe intern scientologyartige Massenbegeisterung ausgelöst, neuen Glauben schenken möchte.

Und Kundruns Augen leuchteten selbst da noch weiter, als Buchholz das folgende kleine Detail fallen ließ: Das neue Zeitschriftenkonzept, das es auf den Ideen-Olymp gebracht hatte, wird es dieses Jahr wohl nicht mehr auf den Markt schaffen.

Macht nichts, schließlich hatte Kundrun da schon den neuen Claim für die glorreiche Zukunft ausgegeben: „Expand your brand“ (Erweitere deine Marke). Will heißen: Erst mal nicht mehr so viel Neues, lieber mit dem Alten arbeiten. Dabei war Europas größter Zeitschriftenverlag 2005 mit seinen Neugründungen in Deutschland leidlich erfolgreich: View, der Fotoableger des Stern, konnte sich etablieren, das Gesundheitsmagazin Healthy Living und das Ess-Heftchen Viva fahren passable Auflagen ein, und sogar die Luxusanzeigen-Halde Park Avenue sorgt nicht mehr für gar so viel Entsetzen bei Verlag und hämischen Kollegen. Doch mit Neugründungen ist, wie gesagt, erst mal Schluss.

Stattdessen ließ Kundrun durchblicken, dass es sogar Kürzungen und Entlassungen geben könnte – die gerade durchs Haus streifende Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat schließlich auch einen Ruf zu verlieren. Mehr in Internetauftritte investieren, die Zeitschriften-„Brands“ durch noch mehr Film-, Hörbuch- und Bücherreihen „expanden“ – fertig war der Ausblick auf eine neue Geschäftsstrategie, die man letztlich auch als beherztes Durchwurschteln bezeichnen kann.

Selbst Branchengerüchte sorgen da für wenig Aufregung – zumindest oberflächlich: Dass Bertelsmann seinen Dreiviertel-Anteil an G + J verkaufen könnte, kommentierte Vorstandsmitglied und Viertel-Eignerin Angelika Jahr entschieden nicht. Doch Spekulationen dieser Art haben Konjunktur: Um den drohenden Börsengang durch Bertelsmann-Mitbesitzer Albert Frère zu verhindern, könnte Deutschlands größter Medienkonzern sich von einigem Tafelsilber trennen und Frères 25-Prozent-Aktienpaket zurückkaufen. SonyBMG, das Joint Venture von Bertelsmann-Music-Group und dem japanischen Unterhaltungsriesen, steht nach kühnen Berichten der Financial Times schon beinahe vor dem Verkauf. Auch das ist bisher Spekulation. Ein Ausstieg aus der Musiksparte würde für Bertelsmann immerhin mehr Sinn machen als ein Abschied bei G + J. HPI, STG