Terrorgefahren nicht richtig geprüft

RADIOAKTIVITÄT II Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat dem Atommüll-Zwischenlager Brunsbüttel die Genehmigung entzogen. Grund: Der gezielte Absturz eines Großflugzeugs wurde nicht bedacht

BERLIN taz | Es ist das bisher strengste Urteil gegen ein deutsches Zwischenlager für radioaktiven Abfall. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat Ende Juni die Genehmigung des Atommüll-Zwischenlagers am stillgelegten AKW Brunsbüttel aufgehoben. Inzwischen hat das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung vorgelegt.

Das Brunsbütteler Zwischenlager fasst maximal 80 Castorbehälter, derzeit sind neun Behälter eingelagert. 2003 wurde das Lager vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt. Dabei wurden aber die Risiken an mehreren Punkten nicht richtig ermittelt und bewertet, fand das OVG.

So habe das Bundesamt zwar in Rechnung gestellt, dass Terroristen einen Passagierjet kapern und gezielt in das Atommüll-Zwischenlager abstürzen lassen könnten. Es habe dies aber nicht für den neuen Riesen-Airbus A 380 geprüft, der 60 Prozent schwerer ist als der Langstrecken-Airbus A 340 und dessen Tanks 50 Prozent mehr Kerosin enthalten. Der A 380 ist zwar erst seit 2007 im Einsatz, doch zum Zeitpunkt der Genehmigung des Lagers Brunsbüttel im Jahr 2003 seien die wesentlichen Konstruktionsdaten bereits bekannt gewesen, so die Richter.

Außerdem habe das Bundesamt zwar in Rechnung gestellt, dass Terroristen in das Zwischenlager gelangen können, um mit Panzerfäusten auf die dort lagernden Castorbehälter zu feuern. Bei der Untersuchung seien aber nur Panzerfäuste auf dem technischen Stand von 1992 berücksichtigt worden, während neuere Waffen größere Durchschlagskraft haben und schneller nachgeladen werden können.

Neue Genehmigung nötig

Das OVG hat zwar keine Revision gegen das Urteil zugelassen. Dagegen wird das Bundesamt für Strahlenschutz aber voraussichtlich eine Nichtzulassungsbeschwerde erheben. Klägeranwalt Ulrich Wollenteit rechnet damit, dass diese Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht bald zurückgewiesen wird.

Sobald das Urteil dann rechtskräftig ist, hat das Zwischenlager keine Genehmigung mehr. Soll am AKW Brunsbüttel weiter ein „standortnahes“ Zwischenlager betrieben werden, was vom Atomgesetz grundsätzlich vorgesehen ist, muss dieses völlig neu genehmigt werden. Es müssen also nicht nur die fehlenden Prüfungen nachgeholt werden, sondern alle Prüfungen neu durchgeführt werden.

CHRISTIAN RATH

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