Sonntags wird wieder zu Hause gelesen

LESEN Künftig bleibt die Stadtbibliothek an Sonntagen wieder geschlossen. Der Modellversuch gilt als erfolgreich, die Gesetzeslage jedoch als schwierig. SPD und Personalrat stehen ohnehin auf der Bremse

■ In Gegensatz zu Museen und Uni-Bibliotheken dürfen Stadtbibliotheken sonntags nicht öffnen. Vor zwei Jahren scheiterte eine Bundesrats-Initiative des Landes Berlin pro Sonntagsöffnung, die Bremen unterstützt hatte: Der Kulturausschuss der Länderkammer stimmte zu, der Sozialausschuss lehnte sie jedoch ab.  HB

Mit hochrotem Kopf stand Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) vor der Bürgerschaft und verwahrte sich mit harschen Worten gegen die Zumutung, „zu einem rechtswidrigen Verhalten“ aufgefordert zu werden – und das von seinem eigenen Koalitionspartner, den Grünen. Thema vergangene Woche im Parlament war die Sonntagsöffnung der Stadtbibliothek. CDU und Grüne wollten eine Verlängerung des Modellversuchs, doch letztere fügten sich schließlich der Koalitionsraison.

Heute hat der Verwaltungsjurist Böhrnsen Gelegenheit, seine Rechtsauffassung in Bezug auf eine weitere Versuchsphase zu erläutern. In seiner Eigenschaft als Kultursenator leitet er die Kulturdeputation. Und die berät eine Vorlage des Kulturressorts, in der zunächst auf das Bundesarbeitszeitgesetz verwiesen wird, das eine reguläre Sonntagsöffnung für Bibliotheken in der Tat untersagt. Dann aber heißt es in der Vorlage aus Böhrnsens Haus weiter: „Es war und ist lediglich möglich, mit einer befristeten Ausnahmegenehmigung (...) ein Modellprojekt durchzuführen.“ Warum hat dieses „ist möglich“ für Böhrnsen keine Gültigkeit mehr?

Juristische Bedingung des Modellversuchs sei, erläutert Kulturressortsprecher Heiner Stahn, die freiwillige Teilname der Bibliotheksmitarbeiter. Die aber sieht das Ressort als nicht mehr geben. In der Tat hat der Personalrat in einem offenen Brief erklärt, dass die Beschäftigten eine weitere Versuchsphase „mehrheitlich“ ablehnen. Folgt daraus notwendig, dass sich zu wenig Mitarbeiter fänden, die an sechs Sonntagen im Jahr – gegen Freizeitausgleich – arbeiten? Lediglich 31 Prozent der Mitarbeiter hatten sich an der Umfrage des Personalrats beteiligt. Bei einer Umfrage der Bibliotheksleitung unter den TeilnehmerInnen des Modellversuchs haben sich 100 Prozent beteiligt – 75 Prozent positiv geäußert. Trotzdem kommuniziert nun auch die Bibliotheksleitung eine skeptische Einschätzung: Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beteiligten „ein weiteres Mal genau diesen hohen persönlichen Einsatz zeigen“.

Möglicherweise macht man sich im Betrieb auch unbeliebt, wenn man sich weiterhin dafür zur Verfügung stellt. In der im April abgelaufenen halbjährigen Modellphase waren pro Sonntag rund 800 BesucherInnen gekommen – die sich durchweg begeistert äußerten. „Wir als Familie schaffen es in der Woche oft nicht, herzukommen“, schrieb eine Mutter. „Der Begriff familienfreundlicher Betrieb gilt auch für die Beschäftigten“, kontert der Personalrat. Der Sonntagsdienst verdichte durch denn Freizeitausgleich die Wochenarbeit: „Hier wird ein Freizeitangebot gewünscht, dass zu Lasten der regulären Dienstleistung geht.“

Ein möglicher Ausweg könnte darin bestehen, Öffnungszeiten in der Woche zu reduzieren. Dazu bietet sich der vergleichsweise schwach besuchte Montagvormittag an – guten Willen auf allen Seiten vorausgesetzt.

HENNING BLEYL